Je reifer, je besser: Carsten Lichtlein vor seinem 200. Länderspiel
Je reifer, je besser: Carsten Lichtlein vor seinem 200. Länderspiel
Eigentlich sollte Carsten Lichtlein beim finalen EM-Qualifikationsspiel gegen Österreich am 14. Juni in der Sparkassenarena für sein 200. Länderspiel im DHB-Trikot ausgezeichnet werden - doch Bundestrainer Dagur Sigurdsson gab einigen Leistungsträgern frei, nominierte dafür Dario Quenstedt und Andreas Wolff als Torhüter. Für Lichtlein war klar: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Nun beim Supercup wird der 199-malige Nationalspieler seine Nadel bekommen, ein weiterer Höhepunkt seiner Karriere, die bisher mit EM-Titel 2004 und WM-Titel 2007 gekrönt wurde. Bei beiden Turnieren standen andere im Fokus, aber der gebürtige Würzburger Lichtlein war immer da, wenn man ihn brauchte. Wie beim aufgeschobenen 200. Länderspiel gab es nie Klagen oder Aufbegehren von Lütti, der zuvor in Großwallstadt und Lemgo gespielt hatte, ehe er 2013 zum VfL Gummersbach wechselte.
Dass Lichtlein einmal Handballer werden würde, war ihm qua Stammbaum gegeben. Sein Vater hatte schon in Großwallstadt in der Bundesliga gespielt, seine Geschwister spielten Handball. Und als er in der Schule den Berufswunsch Profisportler äußerte wurde er zunächst belächelt - aber schon kurze Zeit später unterschrieb er seinen ersten Profivertrag.
2001 feierte Lichtlein sein Debüt im Nationalteam, ist heute der dienstälteste Spieler in der aktuellen DHB-Auswahl und eben jener mit der größten Anzahl von Länderspielen. Und jeder internationale Einsatz ist für den Zwei-Meter-Mann immer noch etwas ganz Besonderes: „Wenn die Hymne gespielt wird, bekomme ich immer noch Herzklopfen und habe eine gewisse Nervosität. Das sind immer noch ganz besondere Momente für mich.“
Im Nationalteam hat der zweimalige EHF-Pokalsieger (2006 und 2010 mit dem TBV Lemgo) immer starke Konkurrenz zwischen den Pfosten gehabt, erst Henning Fritz, dann Johannes Bitter, schließlich Silvio Heinevetter. Aber getreu seines Mottos „niemals aufgeben, niemals den Kopf in den Sand stecken“ stellte sich Lichtlein immer dieser Konkurrenz: „Da musst du eben noch härter an dir arbeiten, dich noch mehr motivieren.“ Trotz der Reservistenrolle habe er immer den Ehrgeiz gehabt, es allen zu zeigen, aber offen ausgesprochen hat er es nicht: „Ich bin eben ein Teamplayer.“ Unter Dagur Sigurdsson rückte er schließlich spätestens dank seiner herausragenden Leistungen bei der WM im Januar in Katar ins Rampenlicht.
„Ich denke, das ist wie mit Wein oder Whisky, je reifer, je besser“, beschreibt der Familienvater seine Leistungsexplosion in diesem Jahr. Hinzu käme, dass er von Dagur Sigurdsson das „absolute Vertrauen“ erhalten habe - und dies zahlt er mit tollen Leistungen zurück: „Ich denke, ich habe meine späte Chance zu nutzen gewusst.“ Und wie 35 fühle er sich auch noch nicht, sondern „viel jünger“. Und das zeigte er zum Beispiel mit einer sensationellen Leistung im WM-Achtelfinale gegen Ägypten: „Das war eine richtige Genugtuung, nur schade, dass es dann in Katar mit dem großen Wurf nicht geklappt hat.“
Aber auch mit 35 Jahren und nach WM-Gold, EM-Gold und WM-Silber 2003 hat Lichtlein noch große Ziele - vor allem eines: die fünf Ringe von Rio zu sehen. „Ich will erst einmal dazu beitragen, dass wir bei Olympia dabei sind, aber dann - wenn wir es nach Rio geschafft haben - dort auch um eine Medaille kämpfen.“ Und selbst, wenn dieses Ziel erreicht wäre, hieße das noch nicht das Karriereende von „Lütti“: Denn er betont immer, dass man im Nationalteam zwar eine Verjüngung mit Augenmaß benötige, sagt gleichzeitig aber auch: „Ich wäre der Letzte, der dem Bundestrainer absagen würde, wenn er mich fragt, ob ich weitermache.“