Der Apfel fällt nicht weit vom Handball-Stamm
Thomas Knorr bei einem seiner Einsätze für die Nationalmannschaft in den 1990er Jahren. - Foto: imago images / Pressefoto Baumann
07.11.2020 A-Männer

Der Apfel fällt nicht weit vom Handball-Stamm

Juri Knorr ist das aktuellste Beispiel für Familienbande in der Nationalmannschaft - sein Vater Thomas war EM-Torschützenkönig

Was haben Emily Bölk, Isabell Roch, Lucie Kretzschmar und Juri Knorr gemeinsam? Sie sind alle aktuelle Handball-Nationalspieler*innen - und haben den Handball quasi in ihren Genen, denn schon ihre Eltern und im Falle von Kretzschmar Großeltern waren Nationalspieler*innen. Seit Donnerstag gehört Juri Knorr offiziell zu dieser Gruppe, der 20-Jährige feierte als erster Spieler des Jahrgangs 2000 sein Debüt in der A-Nationalmannschaft. Der Spielmacher von GWD Minden steuerte einen Treffer zum 25:21-Sieg in der EM-Qualifikation gegen Bosnien-Herzegowina bei - und ist auch am Sonntag wieder im Kader von Bundestrainer Alfred Gislason beim zweiten Qualifikationsspiel gegen Estland (15.15 Uhr, live im ZDF).

Juris Vater Thomas Knorr fieberte am heimischen Bildschirm mit - und war sehr zufrieden mit dem Debüt seines Sohnes: „Juri hat das gut gemacht. In der hektischen ersten Hälfte hat er Ruhe reingebracht. Als Vater bin ich natürlich extrem stolz, dass er auflaufen durfte, und sogar gleich von Beginn an.“  Während Vater Thomas (49) eher der Shooter aus dem Rückraum war - zum Beispiel in über 500 Bundesligaspielen für den THW Kiel, die SG Flensburg-Handewitt, den HSV Hamburg oder Bad Schwartau - ist Juri eher der Spielgestalter: „Man kann uns nicht vergleichen, er ist ein ganz anderer Spielertyp“, sagt Thomas Knorr.

Während der Vater fast nur in Norddeutschland aktiv war - zuletzt als Trainer (auch seines Sohnes) bei der HSG Ostsee - hat Juri bereits ein Jahr im Ausland hinter sich, in der Nachwuchsakademie des FC Barcelona. „Das hat ihm richtig gut getan, in Sachen Handball, aber auch für seine gesamte Persönlichkeit, er hat eine andere Kultur und eine andere Sprache kennengelernt, aber auch eine andere Handball-Philosophie“, sagt Thomas Knorr, der in 83 Länderspielen 199 Treffer für die DHB-Auswahl erzielte. Und der einen Rekord hält, den man eher bei anderen wie Uwe Gensheimer, Blacky Schwarzer oder Florian Kehrmann erwartet hätte: Knorr ist der einzige deutsche Torschützenkönig bei einer Europameisterschaft - 1996 in Spanien mit 41 Treffern.

Bei der wichtigsten Entscheidung der sportlichen Lebensplanung seines Sohnes hielt sich der Vater übrigens raus - Juri stand als Fußball- und Handballtalent an der Gabelung, wohin der Weg führen soll. „Ich habe ihm absolut freie Hand gelassen. Aber natürlich ist es toll, dass er sich für Handball entschieden hat. Im Handball kann er sich anders einbringen, zudem steckt im Handball mehr Teamgeist als im Fußball, das ist doch mehr Geschäft.“

Für das Spiel am Sonntag in Estland wünscht Thomas Knorr der deutschen Mannschaft insgesamt mehr Ruhe im Spiel: „Da waren so viele besondere Situationen am Donnerstag, der neue Trainer, die leere Halle, ein personell geschwächter Gegner, die ganze Corona-Situation. Ich hoffe, dass unsere Jungs am Sonntag ihre Chance besser nutzen.“

Dass es gerade im Handball viele Söhne und Töchter gibt, die ihren Eltern nacheifern, hält Thomas Knorr für „typisch“: „So etwas wird weitergegeben in der Familie - und der ganze Handball hat ja auch noch viel Familiäres.“

Zu seinen Zeiten als Spieler lief er unter anderem gegen Stefan Kretzschmar und Siggi Roch auf - und beide gaben ihre Handballgene an ihre Töchter weiter: Isabell ist wie ihr Vater Torfrau geworden, spielt für Borussia Dortmund und die Nationalmannschaft, Lucie Kretzschmar spielt in der Bundesliga für Neckarsulm und ist zudem Beach-Nationalspielerin. Bei den Kretzschmars geht die Familienbande sogar noch eine Generation zurück: Stefans Mutter Waltraud war dreifache Weltmeisterin und Olympiazweite, Peter Kretzschmar war als Spieler WM-Dritter und führte später als Trainer die Frauen zu zahlreichen WM-Titeln.

Zwei weitere, bekannte Handball-Familien sind die Familien Bölk und Wiegert: Andrea Bölk absolvierte 201 Länderspiele und wurde 1993 Weltmeisterin, Tochter Emily Bölk ist seit ihrem Länderspiel-Debüt 2016 eine feste Größe im Rückraum der deutschen Frauen-Nationalmannschaft. Ingolf Wiegert (225 Länderspiele für die DDR) war Teil der DDR-Oympiasieger-Mannschaft von 1980 in Moskau. Sein Sohn Bennet ist aktueller Trainer des Bundesligisten SC Magdeburg und lief insgesamt fünf Mal für die deutsche Nationalmannschaft auf.

Ähnlich erfolgreich - wenn auch nicht für die DHB-Auswahl sondern für die GUS und die Sowjetunion waren die Eltern von Nationalspielerin Shenia Minevskaja: Mutter Svetlana ist dreifache Weltmeisterin, Vater Andrej Olympiasieger von 1992.

Auch dass Bruder und Schwester gleichzeitig im DHB-Trikot auflaufen, gibt es in der aktuellen Mannschaft: Marian Michalczik und Johannes Golla wurden gemeinsam Zweiter bei der Junioren-EM; und spielen nun in der A-Nationalmannschaft, ihre Schwestern Paulina (Golla) und Malina Marie (Michalczik) wurden 2017 gemeinsam U17-Europameister für Deutschland und spielen beide in der Bundesliga für Blomberg beziehungsweise Buxtehude.

Ebenfalls aus einer Handballfamilie kommt „Nachwuchs-Fuchs“, U19-Vize-Weltmeister und Junioren-Nationalspieler Nils Lichtlein, sein Onkel ist Carsten Lichtlein, Bundesliga-Rekordspieler, Europameister von 2016 und über 200-facher Nationaltorwart für Deutschland.

(BP)

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