Koblenzer und Witte – die nhv1-„Macher“ im Interview
Koblenzer und Witte – die nhv1-„Macher“ im Interview
Die positive Entwicklung des Handball-Drittligisten Neusser HV in den vergangenen Jahren ist ganz eng mit zwei Namen verknüpft: Thomas Koblenzer und René Witte. In der Spielpause der ersten Herren-Mannschaft nahmen sich die beiden „Macher“ des nhv1 Zeit für ein Interview mit der NHV1-Redaktion und sprachen dabei unter anderem über die neue Aufgabenverteilung innerhalb der Geschäftsführung, über den verkorksten Saisonstart des NHV, die lokale Presseberichterstattung in den vergangenen Wochen sowie die Ziele für die Zukunft.
Thomas, René, wie schätzt Ihr den bisherigen Saisonverlauf ein?
Thomas Koblenzer: Der Saisonverlauf ist sicherlich als untypisch und auch als unerwartet zu beschreiben. Wir haben wohl eine der stärksten Mannschaften der Liga und stehen trotzdem gegenwärtig mit elf Minuspunkten da. Das sagt ja schon einiges. Und wenn man sich die Spiele ansieht, dann muss man sagen, dass wir uns mit Ausnahme der Spiele gegen Longerich und Krefeld eigentlich immer selbst geschlagen haben. Natürlich hatten wir auch viel Pech – das darf aber bei der Qualität unseres Kaders keine Ausrede sein. Sport ist eben auch Kopfsache: Hätten wir die ersten beiden Auswärtsspiele gewonnen, bin ich mir sicher, dass wir jetzt maximal vier Minuspunkte auf dem Deckel hätten. Nun ist es anders gelaufen und die Hauptaufgabe besteht darin, der Mannschaft das Selbstvertrauen wiederzugeben. Mehr muss man eigentlich gar nicht machen. Das letzte Spiel gegen Aurich hat schon erste positive Ergebnisse gezeigt. Gefühlt haben wir da etwa mit 70 Prozent des Leistungspotentials gezeigt, und dennoch hat es zu einem souveränen Sieg gereicht. Ich bin mir sicher, dass wir jetzt die Trendwende hinbekommen.
René Witte: Wir haben natürlich nach neun Spieltagen nicht so viele Punkte erzielt, wie wir uns vorgenommen hatten. Also kann man mit dem bisherigen Saisonverlauf auch nicht zufrieden sein. Ich bin davon überzeugt, dass wir eine gute Mannschaft zusammengestellt haben, aber die steckt natürlich immer noch im Findungsprozess. Allerdings haben andere Mannschaften ähnliche Voraussetzungen und haben es teilweise bislang besser hinbekommen. Hinzu kommt sicher, dass wir drei Spiele mit einem Tor verloren und alleine in diesen Spielen unter anderem über zwölf Siebenmeter verworfen haben. Da sieht man, dass wir uns in vielen Spielen selbst geschlagen haben und leicht einige Punkte mehr auf dem Konto hätten haben können. Das haben wir jedoch nicht geschafft und dann stimmt es, was Thomas sagt: Sport ist eine Kopfsache und eine Mannschaft kann schnell verkrampfen – wie gut sie auch sein mag. Der Sieg gegen Aurich hat zuletzt wieder gezeigt, zu was die Mannschaft in der Lage ist. Jetzt gilt es, weiter hart zu arbeiten und die Köpfe noch weiter frei zu bekommen – dann werden wir auch Erfolg haben.
Warum tut sich die Mannschaft Eurer Meinung nach bislang in vielen Spielen so schwer?
Koblenzer: Ich glaube, dass das eine Melange aus selbst gemachtem Druck, der medialen Hochstilisierung zum Topfavoriten, Verletzungspech und spielerischem Pech ist und war. Man hat schon gesehen, dass mit der Rückkehr von Niklas Weis die Qualität direkt nach oben gegangen ist und sich die gesamte Mannschaft mitziehen lässt. Jetzt muss sich die Mannschaft nur noch das nötige Glück erkämpfen und man wird sehen, dass wir wirklich eine sehr, sehr starke Mannschaft sind, die jeden in der Liga schlagen kann – auch auswärts.
Witte: Mir war von Anfang an klar, dass wir medial, aber auch von der Konkurrenz als absoluter Topfavorit gehandelt werden würden. Darüber hatten wir auch gesprochen, aber in der Praxis ist diese Erwartungshaltung eben nicht einfach so abzuschütteln. Dazu kam eine gute Vorbereitung, nach der vielleicht der eine oder andere – sowohl im Team als auch im Umfeld – schon gedacht hat, dass wir weiter wären. Das Verletzungspech, in dessen Folge unter anderem unsere beiden Linkshänder ausgefallen sind, hat uns zusätzlich nicht gut getan. Allein wenn man sieht, wie gut uns Niklas Weis zuletzt gegen Aurich getan hat, wird das deutlich. Aber auch Bennet Johnen, Christopher Klasmann und Markus Breuer sind uns schon länger in dieser Saison ausgefallen. Das kann eine Mannschaft nicht so einfach verkraften.
Was, glaubt Ihr, ist in dieser Saison trotz des missratenen Saisonstarts noch möglich und was muss nach dieser Spielzeit unter dem Strich herauskommen, damit man zufrieden sein kann? Koblenzer: Ich bleibe dabei, dass unsere Mannschaft spielerisch zu den besten drei Teams der Liga zählt. Jetzt haben wir einen schlechten Start erwischt, aber die Saison ist noch lang. Und andere Mannschaften werden auch noch ihre Tiefs erleben. Wer hätte gedacht, dass Fredenbeck zuletzt gegen Ratingen verliert? Ich glaube, dass immer noch Platz drei möglich ist.
Witte: Ich habe schon vor der Saison gesagt, dass wir unter den ersten sechs Teams in der Tabelle landen und uns für den DHB-Pokal qualifizieren wollen. Ich bin mir sicher, dass wir diese Ziele noch erreichen können und werden. Für unseren Verein wäre es übrigens das erste Mal, dass wir im DHB-Pokal spielen. Allein an diesem Umstand sieht man, wo wir herkommen und dass wir uns hier beim NHV alles Stück für Stück erarbeiten müssen – und auch werden.
René, Du bist jetzt seit knapp vier Wochen „nur“ noch Zuschauer – wie schwer ist das für Dich und wie gehst damit um, nach so einer langen Zeit nicht mehr ins Spiel eingreifen zu können?
Koblenzer: Einfach ist das Zuschauen für mich natürlich nicht. Ich bin seit fast 15 Jahren am Stück Trainer gewesen, da hat für mich jetzt eine neue Zeitrechnung begonnen. Ich hatte das Glück, in allen meinen bisherigen Stationen Aufstiege feiern zu können. Aber trotzdem ist das Projekt mit Neuss etwas ganz Besonderes. Nach fünf Jahren beim Neusser HV und dem Ganzen, was wir hier in dieser Zeit geschaffen haben, war es besonders schwer, den Trainerposten zur Verfügung zu stellen. Aber ich denke trotzdem, dass es die richtige Entscheidung war. Wenn wir vorankommen wollen und alle Kräfte gezielt einsetzen, dann werden wir unsere Ziele auch erreichen.
Würdest Du die Entscheidung, Dein Traineramt zur Verfügung zu stellen, rückblickend wieder so treffen?
Witte: Ja, natürlich. Ich stehe zu allen meinen Entscheidungen zu 100 Prozent und glaube, dass sie in der Situation und auch auf Sicht gesehen richtig war. Über die vielen Nachrichten, die mich in der Zeit erreicht haben – sei es von Trainerkollegen, Freunden, Sponsoren und Fans – habe ich mich gefreut. Dass sie alle diesen Schritt alle nicht so recht verstehen wollten, ist ja auch irgendwo ein Kompliment. Aber wenn man das Gefühl hat, die Mannschaft nicht mehr zu 100 Prozent erreichen zu können, dann muss man Konsequenzen ziehen. Da ging es eben nicht um mich, sondern um das Gesamtprojekt NHV. Das habe ich ja zu großen Teilen mit aufgebaut, da will ich es nicht gefährden. Insgesamt leisten Jens (Sieberger, Anm. d. Autors) und Ceven (Klatt) seitdem super Arbeit und werden das Schiff gut, sicher und erfolgreich in den Hafen bringen. Davon bin ich absolut überzeugt. Meine Aufgabe ist es nun, ihnen dabei den Rücken frei zu halten – und das werde ich natürlich auch mit ganzer Kraft machen.
Wie hat sich der Ablauf während einer „normalen“ Woche mit Deiner neuen Tätigkeit als Geschäftsführer Sport und Marketing verändert?
Witte: Es ist eigentlich keine neue Tätigkeit für mich. Ich mache seit meinem Rücktritt als Trainer jetzt einfach genau das professioneller und intensiver, was ich in den vergangenen fünf Jahren ohnehin schon neben dem Trainerjob gemacht habe. Ich kenne jeden Sponsor des Vereins persönlich und halte Kontakte zu Wirtschaft, Verbänden und Politik in der Stadt Neuss und im Rhein-Kreis. Ebenfalls vertiefe ich die Kontakte zu Sportverbänden und, was mir ganz wichtig ist, den Kontakt zu unserem Fanclub „Die Rote Wand“, der eine hervorragende Arbeit leistet und uns in vielen Dingen unterstützt. Jetzt kann ich Termine auch in den Stunden wahrnehmen, in denen ich sonst fast täglich abends in der Sporthalle stand und das Training geleitet habe. Ich kann mich jetzt also noch intensiver mit diesen Themen beschäftigen. Zudem sieht mich mein Büro in der Geschäftsstelle der nhv1 jetzt um einiges regelmäßiger als früher, weil ich dort öfter Arbeiten erledigen kann. Meine Aufgaben umfassen dabei vor allem die Vertragsverhandlungen mit neuen Spielern und natürlich auch Vertragsverlängerungen mit dem aktuellen Kader. Außerdem müssen wir als kleiner Verein immer wissen, wie es auf dem Markt aussieht – auch dafür bin ich da. Das A-Jugend-Projekt liegt mir ebenfalls sehr am Herzen. Wir wollen in der nächsten Saison mit den Jungs in die Bundesliga. Das wäre ein riesiger Erfolg für unseren Verein. Auch weil unsere Mädels schon dort spielen und mit hervorragenden Leistungen auf sich aufmerksam machen. Das wollen wir auch mit der männlichen A-Jugend schaffen. Zudem wollen wir den Kontakt zu anderen Vereinen und Verbänden intensivieren und dort Kooperationen schmieden. Mit den ganzen genannten Punkten habe ich genug Arbeit für die ganze Woche. Aber meine Kinder freuen sich dennoch, dass ich Sie jetzt nach vielen Jahren auch mal abends ins Bett bringen kann oder dass wir nach der Schule etwas unternehmen können. Das war in der Vergangenheit leider nicht so oft möglich.
Die Entwicklungen vor etwa vier Wochen rund um Renés Rücktritt haben in der NGZ recht wilde Verschwörungstheorien nach sich gezogen. Könntet Ihr an dieser Stelle noch einmal rekapitulieren, wie sich das Ganze damals entwickelt hat?
Koblenzer: Über die journalistischen Qualitäten des einschlägig bekannten Redakteurs der NGZ will ich mich nicht weiter äußern. Kritik ist und war sicherlich angebracht und die nehme insbesondere ich als geschäftsführender Gesellschafter sehr ernst und auch an. Ich finde es nur bedauerlich, dass man uns nicht die Chance gibt, unser Projekt einmal vorzustellen. Dann wüsste man zum Beispiel, dass wir in dieser Saison nicht den Aufstieg geplant haben. Und dann wüsste man auch, dass uns die Fürsorge gegenüber den Spielern sehr am Herzen liegt, wir uns darum bemühen, dass alle Spieler in Neuss und im Rhein-Kreis Neuss ihre neue Heimat finden. Man wüsste dann auch, dass wir uns mit den heimischen Unternehmen um Jobs und um Weiterbildung für unsere Spieler kümmern. Wer sich sachlich mit uns auseinandersetzt, kann auch ein Konzept erkennen. So bauen wir mit großem Engagement den männlichen Nachwuchs auf und etablieren im Neusser Handballverein eine männliche A-Jugend, die große Chancen hat, sich für die kommende Saison direkt für die Jugend-Bundesliga zu qualifizieren. Und all das läuft ohne die fürstliche finanzielle und personelle Unterstützung, wie sie etwa ein anderer Handballverein im Rhein-Kreis jährlich in Anspruch nehmen kann. Man darf auch nicht vergessen, dass wir ein sehr kleiner Verein sind. Und dafür leisten wir Enormes. Der „Quirinus-Cup“ und unsere weibliche A-Jugend-Bundesliga-Mannschaft sind weitere Beispiele für die hervorragende Arbeit, die im Verein geleistet wird. Dass wir dafür kompetente Köpfe benötigen, sollte jedermann klar sein. René Witte hatte mir schon am Anfang der Saison gesagt, dass er zum Ende der Spielzeit gerne den Trainerjob abgeben möchte, um sich dem Projekt voll auf Manager-Ebene widmen zu können. Dass er sich angesichts des schwierigen Saisonstarts vorzeitig zu diesem Schritt entschlossen hat, zeigt seine Größe und seine absolute Hingabe für das gemeinsame Projekt. Wir lassen uns nicht von irgendwelchen journalistischen Hirngespinsten oder Bösartigkeiten auseinandertreiben. Ich weiß, dass das einige sehr gerne sehen würden – das Scheitern des Projekts inklusive. All denjenigen muss ich aber eine Absage erteilen.
Witte: Thomas hat zu dem Thema eigentlich alles gesagt und ich stimme ihm in allen Punkten zu. Ich habe vier Jahre mit dem betreffenden Redakteur zusammengearbeitet und kann es nicht verstehen, wie man sich als Mensch so ändern kann. Kritik ist wichtig und sie gehört auch beim Sport dazu. Aber was hier im Rhein-Kreis Neuss passiert, was die Berichterstattung der NGZ angeht, ist wahrscheinlich „einmalig“. Als Trainer bekommt man in den meisten Fällen viel Kritik ab und ich habe gerade nach meinem Rücktritt harsche Kritik von besagtem Redakteur erhalten. Wenn diese sachlich gewesen wäre, wäre das kein Problem und ich könnte sie akzeptieren. Aber dass war sie leider nicht. Und wenn mein zehn Jahre alter Sohn derartige Dinge von seinem Papa in der Zeitung liest, dann weint und traurig ist, findet man das nicht gerade schön. Man muss sich das auch grundsätzlich nicht immer alles gefallen lassen. Dinge wie diese darf sich der Redakteur ruhig mal durch den Kopf gehen lassen.
Stichwort Berichterstattung: Wie schätzt Ihr diese in der lokalen Presse ein und wieso, glaubt Ihr, kommt es teilweise zu einer derartigen Negativberichterstattung wie in den vergangenen Wochen?
Koblenzer: Jeder muss wissen, was er macht. Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut. Wie in jedem Beruf, gibt es gute und schlechte Vertreter. Als Journalist qualifiziert man sich insbesondere, wenn man den Unterschied zwischen Bericht und Kommentar kennt und natürlich bei aller Kritik immer auch die Betroffenen zu Wort kommen lässt. Das ist auch ein Attribut für journalistische Seriosität. Ich selbst bin Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbands und habe mit vielen namhaften Zeitungen und Verlegern zusammengearbeitet. Ich denke, dass ich weiß, wovon ich rede.
Witte: Ich glaube, das Ganze wird von außen gesteuert, weil das NHV-Projekt vielleicht dem einen oder anderen zu groß werden könnte. Und mir ist durchaus bewusst, was ich da sage. Um das an dieser Stelle noch einmal zu betonen: Kritik ist wichtig und wir nehmen sie auch an. Wir haben auch in der Vergangenheit nicht alles richtig gemacht und werden auch in Zukunft Fehler machen – das steht völlig außer Frage. Wenn man aber keine sachliche Kritik mehr anbringt, sondern nur noch alles „schlechtschreibt“ ohne Hintergrundinformationen, ohne sich mit den handelnden Personen auch mal direkt zu unterhalten, dann darf man schon eine gewisse Absicht unterstellen.
Ich fordere in diesem Zusammenhang noch einmal alle Beteiligten auf, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und an einer Lösung zu arbeiten. Es kann doch nicht sein, dass jedes Jahr ein anderer Verein – ob es der TV Korschenbroich war, der Tennis-Verein TC Blau Weis Neuss, der KSK Konkordia Neuss oder wie jetzt seit etwa eineinhalb Jahren der Neusser HV – wie eine Sau durch das Dorf gejagt wird, und das auch noch immer von dem gleichen Redakteur. Hier spreche ich noch einmal deutlich für den Neusser