„Schön, wenn Sport verbindet“: Kieler Multi-Kulti-Truppe als Beispiel für gelungene Integration
„Schön, wenn Sport verbindet“: Kieler Multi-Kulti-Truppe als Beispiel für gelungene Integration
Wie gelungene Integration aussieht, zeigt sich am Beispiel einer Mädchenmannschaft aus dem Kieler Osten: Die Hälfte der Mädchen in der C- und D-Jugend des Ellerbeker TV kommen aus Familien mit Migrationshintergrund, doch ein Thema ist das weder bei den Spielerinnen noch ihren Trainern - im Gegenteil. „Ohne die Mädchen und die Freundinnen, die sie mitbrachten, hätten wir heute keine Mannschaft mehr“, weiß Trainerin Svenja Ohme um die Bedeutung der gelungenen Integration.
Durch eine Sporthalle im Kieler Osten toben an einem Donnerstagnachmittag im April 20 Mädchen. Das Training beim Ellerbeker TV hat noch nicht begonnen, Trainerin Svenja Ohms bespricht mit ihren beiden Trainerkollegen noch das Aufwärmen. So quatschen einige der Spielerinnen noch mit ihren Freundinnen, während andere sich schon längst die Handbälle geschnappt haben und auf Tor werfen. Eine Mannschaft wie jede andere auch, könnte man meinen - und doch etwas Besonderes. Besonders, weil bei ihr etwas eine Selbstverständlichkeit ist, was in anderen Vereinen (noch) Seltenheitswert hat: Gut die Hälfte der Mädchen stammt aus einer Familie mit Migrationshintergrund. Die jungen Spielerinnen der ETV-Mannschaft haben ihre Wurzeln außer in Deutschland im Irak, in Polen, Ghana, Togo und in der Türkei, auch die Tochter einer kurdischen Familie ist dabei. So eine „Multi-Kulti-Truppe“, wie die Trainer ihre Mannschaft selbst nennen, ist in der deutschen Handballszene zurzeit noch die Ausnahme - noch.
Denn wenn es nach dem Dachverband geht, bleibt das nicht so: Der Deutsche Handballbund hat das Thema „Integration durch Sport“ zu einem seiner großen Themen der nächsten Jahre erklärt. Um dem Handball eine Zukunft zu geben, müssten mehr Kinder mit Migrationshintergrund in die Hallen geholt werden, betonen die Verantwortlichen immer wieder; die Jugendkommission will bis 2016 ein entsprechendes Förderprogramm entwickeln. Für den kleinen Verein im Kieler Osten ist das längst überflüssig: Die Mädchen, deren Eltern zwar aus unterschiedlichen Nationen kommen, die aber selbst fast alle einen deutschen Pass haben, sind eine Mannschaft und haben zusammen Spaß, daran besteht kein Zweifel. Auch ein Gesprächsthema seien Herkunft oder Hautfarbe nie gewesen, erklärt Trainerin Ohms. „Das spielt bei uns keine Rolle - weder für die Mädchen noch für uns Trainer“, unterstreicht es die 24-jährige.
Ihrem Engagement ist es zu verdanken, dass dem ETV das gelang, womit viele andere Vereine noch kämpfen: Die Integration so weit voranzutreiben, dass sie kein Thema mehr ist. 2010 nahm es mit einer Schul-AG an der Gerhart-Hauptmann-Schule am Kieler Ostufer seinen Anfang, die Ohms im Rahmen ihres Freiwilligen Sozialen Jahres anbot. „Am Anfang hatte ich Probleme, die teilweise ungewohnten Namen der Mädels auszusprechen“, erinnert sich Ohms; sonst sei der Migrationshintergrund nie von Bedeutung gewesen und „ich habe den Zugang zu den Mädchen gekriegt“. Nach Ende des Schuljahres nahm sie die Neu-Handballerinnen aus der AG mit in den Verein und „rettete damit unsere Mädchenmannschaft“, wie ihr Vater Olaf, der Svenja beim Training unterstützt, festhält. „ Ohne die Mädchen und die Freundinnen, die sie mitbrachten, hätten wir heute keine Mannschaft mehr.“
Doch solche Nachwuchssorgen haben sie beim Ellerbeker TV seitdem nicht mehr: Knapp 30 Mädchen trainieren unter Ohms, ihrem Vater und dem B-Jugendlichen Leon in der weiblichen C- und D-Jugend gemeinsam, sie sind zwischen neun und 14 Jahren alt. Die D-Jugend wurde in der abgelaufenen Saison mit nur einer Niederlage Tabellenerster in der Kreisklasse A. Natürlich sorge die Multi-Kulti-Truppe aus Ellerbek schon manchmal für Aufsehen, erinnert sich Vater Ohms: „Die Gegner gucken teilweise schon komisch, wenn wir in die Halle kommen.“ Doch auf dem Spielfeld ist das dann vergessen. „Ich denke schon, dass wir im Bereich Integration ein Vorbild im Kieler Raum sind“, weiß Svenja Ohms darum, dass ihre Mannschaft anders wahrgenommen wird.
Doch genau wie für die Mädchen ist es für die 24-Jährige schon längst Normalität. „Es ist doch schön, wenn der Sport verbindet“, kommentiert ihr Vater die gelungene Integration. Natürlich gebe es öfters Sprachprobleme mit den Eltern, die häufig nur wenig deutsch können, so Ohms selbst, weshalb „wir viel über die Kinder direkt regeln“. Die Kommunikation läuft über Zettel, die die Trainer auch schon einmal in Briefkästen werfen, da „nicht alle Familien E-Mail-Adressen haben“, erklärt Ohms. „Man muss bereit sein, diesen Mehraufwand in Kauf zu nehmen.“
Den Werbeflyer für das Handballtraining beim ETV entwarf die 24-Jährige so auch zweisprachig, in deutsch und türkisch. „Gerade beim Handball spielt die Nationalität keine Rolle“, schrieb Ralf Hüttmann, der Handballobmann des ETV, in einem Begleitbrief an die Schulen auf dem Kieler Ostufer, die den Flyer zum Verteilen geschickt bekamen. Wie wahr dieser Satz ist, zeigt sich in Ellerbek bei jedem Training wieder. So stellte die 12-jährige Grit, deren Eltern aus Togo kommen, nach dem Training auch nur verwundert fest: „Warum sollen wir eine besondere Mannschaft sein? Ich bin seit 12 Jahren in Deutschland - ich bin also auch Deutsche.“