Karriere-Ende für die Spitzenschiedsrichter
Lars Geipel und Marcus Helbig. - Foto: Marco Wolf
15.07.2021 Schiedsrichter

Karriere-Ende für die Spitzenschiedsrichter

Nach zwei Olympischen Spielen, vielen Welt- und Europameisterschaften und zwei Champions-League-Finals müssen Marcus Helbig und Lars Geipel krankheitsbedingt aufhören

Die deutschen Spitzenschiedsrichter Lars Geipel (46) und Marcus Helbig (49) haben ihre lange und erfolgreiche Karriere beenden müssen, Grund ist eine langwierige und schwere Erkrankung von Helbig. „Marcus geht es soweit gut. Aber der Genesungsprozess ist zeitlich einfach nicht absehbar. Es war eine unglaublich harte und schmerzhafte Entscheidung, jetzt so Schluss zu machen, vor allem emotional. Da ist mehr als eine Träne geflossen. Aber die Gesundheit von Marcus hat die höchste Priorität, das ist das einzige, was letztendlich zählt“, sagt Geipel.

28 Jahre haben die beiden Handballspiele gemeinsam geleitet, auch künftig wollen sie sich im Schiedsrichterwesen engagieren. „Man kann ja nicht einfach einen so langen Lebensabschnitt einfach so beiseitelegen. Und wir wollen natürlich dem deutschen und auch dem internationalen Handball, dem wir unglaublich viel zu verdanken haben, auch viel zurückgeben“, sagt Geipel, der seit rund einem Jahr in leitender Funktion einer großen Regionalzeitung in Karlsruhe tätig ist.

Dank seines damaligen Sportlehrers lernte der 17-jährige Geipel den vier Jahre älteren Helbig auf dem Handballfeld kennen, in einem Erstrundenspiel im Landespokal zwischen Helbigs Klub TSV Leuna/Halle und Geipels Verein HV Einheit Halle-Neustadt (beides Sachsen-Anhalt). „Sein Trainer war mein Lehrer, er brachte uns zusammen“, sagt Geipel. Der von sich sagt: „Für die zweite Liga hätte es als Spieler vielleicht noch gereicht, aber mehr auch nicht.“

1993 standen beide erstmals als Gespann auf dem Feld; in der Saison 2000/2001 leiteten sie ihre erste Bundesligapartie bei den Männern. Damals war Willi Hackl noch DHB-Schiedsrichterwart, es folgten Peter Rauchfuß und Wolfgang Jamelle. „Wir haben mit allen sehr gut zusammengearbeitet. Ohne ihre Unterstützung hätten wir niemals diese Erfolge und Erfahrungen machen können“, sind Lars Geipel und Marcus Helbig dankbar. International wurden sie stark vom langjährigen IHF-Schiedsrichterwart Manfred Prause (Offenburg) sowie den beiden EHF-Schiedsrichterchefs Sandor Andorka (Ungarn) und Dragan Nachevski (Mazedonien) gefördert.

Insgesamt stehen über 600 Spiele für den Deutschen Handballbund sowie über 250 Einsätze auf internationalem Parkett in ihrer Vita. „Es ist doch schon ein Privileg in der Bundesliga zu pfeifen und Spiele der besten Handballer der Welt zu leiten. Aber das wir international so weit kamen, war ein Traum“, sagt Geipel „Der respektvolle Umgang miteinander, auch in kritischen Situationen, macht den Handball einzigartig. Diese Menschlichkeit, die kleinen Späße oder Frotzeleien mit Spielern und Trainern auf dem Feld, die Stimmung in den Hallen, die Nervosität vor jedem Anpfiff, das werden wir wirklich vermissen. Aber es geht immer weiter im Leben. Und da wo eine Tür zu geht, geht eine andere auf.“

Höhepunkte ihrer Karriere waren die Einsätze bei den Olympischen Spielen 2012 in London und 2016 in Rio sowie die beiden Champions-League-Finals 2017 und 2019 in Köln. Von 2009 bis 2017 leiteten Geipel/Helbig Spiele bei Weltmeisterschaften, von 2008 bis 2020 vertraten sie den DHB bei Europameisterschaften, leiteten bei Großturnieren zahlreiche Halbfinals, ihr letzter Höhepunkt war das Bronzefinale der EM 2020 in Stockholm. Im Frühsommer 2020 erkrankte Helbig schwer, kurz nachdem die beiden zum wiederholten Male zu Deutschlands Schiedsrichtern des Jahres ausgezeichnet worden waren.

„Lars Geipel und Marcus Helbig waren national und international die Gesichter des deutschen Schiedsrichterwesens. Es ist schade, dass ihre gemeinsame Karriere vorzeitig enden muss. Ich bin mir sicher, dass beide mit ihren Erfahrungsschätzen dem Schiedsrichterwesen und damit den nachfolgenden Generationen erhalten bleiben,“ würdigt DHB-Sportvorstand Axel Kromer das Gespann aus Sachsen-Anhalt. Auch Jutta Ehrmann-Wolf, die neue Leiterin DHB-Schiedsrichterwesen, setzt auf eine künftige Zusammenarbeit mit den beiden: „Mit Geipel/Helbig verliert das deutsche Schiedsrichterwesen das renommierteste Gespann der letzten zehn, 15 Jahre. Ich stehe mit beiden in Kontakt. Soweit sie bereit sind, eine Aufgabe im Schiedsrichterwesen zu übernehmen, stehen ihnen natürlich alle Türen offen.“

„Wir wollen den Handball nicht beenden“, ist sich Geipel sicher. Helbig und er hätten durch den Sport nicht nur viele Freunde fürs Leben gefunden, sondern auch viel für Leben gelernt. „Handball hat uns so viele Jahre so viel gegeben. Als Schiedsrichter entwickelst du immer deinen eigenen Stil, deine Persönlichkeit. Natürlich hatten wir Vorbilder, aber wir haben unseren eigenen Weg gemacht“, sagt Geipel. Und er lacht über die Frage, warum es ausgerechnet aus Sachsen-Anhalt so viele Spitzenschiedsrichter gibt – schließlich waren ihre Vorgänger als IHF- und Olympiaschiedsrichter Frank Lemme und Bernd Ullrich und ihre Nachfolger sind die Magdeburger Tobias Tönnies und Robert Schulze: „In Sachsen-Anhalt gab es immer schon viele Spitzenhandballer. Und wer eben nicht so gut war, wurde eben ein guter Schiedsrichter.“

(BP)

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