50.000 Fans feiern Feldhandball-WM
Foto: IMAGO/ United Archives Feldhandball WM 1955

50.000 Fans feiern Feldhandball-WM

24.06.2025 | Verband

 

Vor 70 Jahren: Sternstunden für die Geschichtsbücher bei deutscher Weltmeisterschaft 

 

Es war die erste Weltmeisterschaft im Nachkriegsdeutschland. Es war gleichzeitig der absolute Höhepunkt in der Geschichte des internationalen Feldhandballs: Der Deutsche Handballbund (DHB) war vom 29. Juni bis zum 10. Juli 1955 Ausrichter der IV. Feld-Weltmeisterschaft (so der offizielle Titel). Für den 1949 gegründeten DHB war die WM das erste Handball-Großereignis, das die IHF dem DHB als Gastgeber übertragen hatte. 

Zu Gast in der jungen Bundesrepublik Deutschland waren neben der DHB-Auswahl 16 weitere Nationen. Gespielt wurde in 33 Stadien von 32 Städten. Zu den Spielen kamen im Schnitt 12.500 Zuschauer. Im Finale beim 25:13-Sieg der DHB-Auswahl gegen die Schweiz war das Stadion Rote Erde in Dortmund (damals Heimstätte des späteren Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund) sogar mit rund 50.000 Menschen gefüllt … und in den Handball-Geschichtsbüchern wird dieses Endspiel seitdem als „bestes Feldhandballspiel aller Zeiten“ (Erik Eggers) beschrieben.  

Abgesehen von der sportlichen Dominanz des DHB-Teams (Handballer aus der DDR waren damals noch nicht dabei!), müssen wir uns die Planung und Durchführung dieses zweiwöchigen Turniers ebenso als eine organisatorische Glanzleistung in Erinnerung rufen … damals gab es noch keine ICE-Bahnverbindungen zu den Spielorten und Handys oder E-Mails, über die mit den Mannschaften eben mal „digital“ kommuniziert werden konnte. 

Der Austragungsmodus der WM ging so: Gespielt wurde zunächst in sechs Gruppen mit je drei bzw. zwei Mannschaften „jeder gegen jeden“. Die Gruppensieger und die beiden besten Gruppenzweiten erreichten die Zwischenrunde. Daraus wurden zwei Gruppen mit je vier Mannschaften gebildet, die ebenfalls „jeder gegen jeden“ spielten. Die beiden Tabellenersten erreichten das Finale, die anderen Teams von Rang zwei bis vier traten gegeneinander an, um im direkten Vergleich die Plätze drei bis acht auszuspielen. 

Zum DHB-Weltmeister-Team 1955 gehörten die beiden Torhüter Heinz Singer (Polizei SV Hamburg) und Gerd Nellen (TuS Rheinhausen) sowie folgende elf Feldspieler: Heinz Becker (FSV Frankfurt), Markus Bernhard (Bayern München, 3 Tore insgesamt), Hein Dahlinger (THW Kiel, 13), Dr. Jürgen Isberg (Polizei SV Hamburg, 7), Horst Käsler (Berliner SV 92, 1), Bernhard Kempa (FA Göppingen, 22), Hans Ruff (Phönix Ludwigshafen), Walter Schädlich (Hamborn 07, 18), Horst Singer (FA Göppingen, 11), Hans Stahler (TSG Haßloch, 6), Werner Vick (Polizei SV Hamburg), Paul Wanke (Polizei SV Hamburg, 5), Hermann Will (RSV Mülheim, 20) und Ernst Wintterlin (SG Dietzenbach, 5). DHB-Bundestrainer war Fritz Fromm (1913-2001) aus Hannover, der nach der Weltmeisterschaft von Werner Vick (1920-2000) abgelöst wurde; ihm folgte Prof. Horst Käsler (1926-1987). 

Bernhard Kempa galt damals als bester Feldhandballer der Welt und war erfolgreichster deutscher Torschütze. Der Erfinder des Kempa-Tricks wurde nur vom Schweden Stig Nilsson mit 25 Treffern übertroffen. 

Folgende Nationen waren außer dem DHB-Team bei der Weltmeisterschaft in der Bundesrepublik Deutschland vor 70 Jahren dabei: Portugal, Norwegen, Schweden, Luxemburg, Saarland, Schweiz, Finnland, Spanien, Österreich, Belgien, Frankreich, Tschechoslowakei, Dänemark, Ungarn, Jugoslawien und die Niederlande. Damit wird auch erkennbar, dass die Titelkämpfe eine rein „europäische Weltmeisterschaft“ waren. 

Auch wenn in den 33 Stadion von 1955 heute keine Handballspiele mehr stattfinden, muss man sich allein die Namen der „berühmten“ Sportstätten noch einmal auf der Zunge zergehen lassen. Hier wurde 1955 mit jeweils einem Spiel Handballgeschichte geschrieben: Olympiastadion Berlin, Weserstadion Minden, Niedersachsenstadion Hannover, Volkspark-Stadion Sterkrade Oberhausen, TuS-Kampfbahn Hattingen, Walder Stadion Solingen, Städtisches Stadion Lörrach, Kinzigstadion Offenburg, Möslestadion Freiburg, Stadion am Bieberer Berg Offenbach, Wildparkstadion Karlsruhe, Südweststadion Ludwigshafen, Dante Stadion München, Rosenaustadion Augsburg, TSV-Stadion Ansbach, Stadion Oberwerth Koblenz, Poststadion Bonn, Stadion am Zoo Wuppertal, Sportpark Wanne-Süd Wanne-Eickel, Niederrheinstadion Oberhausen, Grotenburg-Kampfbahn Krefeld, Wedaustadion Duisburg, Stadion Reinshagen Remscheid, Jahnstadion Rheydt, Ruhrstadion Bochum, Rheinstadion Düsseldorf, Höing Hagen, Stadion Uhlenkrug Essen, Jahnstadion Hamm, Westkampfbahn Düren, Jahnstadion Neuss, Bökelbergstadion Mönchengladbach und schließlich das Stadion Rote Erde Dortmund … ganz in der Nähe der heutigen Zentrale des Deutschen Handballbundes im Willi-Daume-Haus an der Strobelallee. 

Die DHB-Auswahl spielte der Reihe nach zuerst in Berlin (9:4 gegen Portugal), dann in Hannover (22:2 gegen Norwegen), in Wuppertal (21:18 gegen Österreich), in Oberhausen (23:12 gegen Jugoslawien), in Duisburg (11:8 gegen Tschechoslowakei) und das Finale gegen die Schweiz in Dortmund. 

Die Weltgeschichte des Feldhandballs nach 1955 ist schnell zu Ende erzählt: Eine Weltmeisterschaft in Deutschland hat es danach nie wiedergegeben. Die VII. und letzte WM fand 1966 in Österreich statt. Seitdem ist das DHB-Team (unter anderem mit Herbert Lübking, Josef Karrer und Erwin Porzner) „ewiger Weltmeister“; das Team des Handballverbandes der DDR (unter anderem mit Klaus Langhoff und Reiner Ganschow) „ewiger Vize-Weltmeister“. 

Für die Frauen gab es zwischen 1949 und 1960 nur drei Titelkämpfe auf dem Großfeld zuerst mit Ungarn und danach zweimal Rumänien als Weltmeisterinnen. Die letzten nationalen Meisterschaften in DHB-Regie auf dem Großfeld wurden bei den Frauen 1967 mit dem TV Eimsbüttel Hamburg und bei den Männern 1975 mit der TSG Haßloch als „ewige deutsche Meister“ ermittelt.  

Spätesten zu Beginn der 1970er Jahre war das Handballspiel endgültig und überall in der Halle angekommen. Die erste Hallen-Weltmeisterschaft in Deutschland der Männer fand sogar schon 1958 in der DDR statt (Finale in der Werner-Seelenbinder-Halle Ostberlin mit Schweden gegen Tschechoslowakei 22:12 mit der gesamtdeutschen Mannschaft auf Rang drei); die erste WM in Deutschland für Frauen dann 1965 in der Bundesrepublik (Finale in der Dortmunder Westfalenhalle mit Ungarn gegen Jugoslawien 5:3). 

(Prof. Dr. Detlef Kuhlmann)