Wie der Bundestrainer mit Tunesien Weltmeister wurde
Markus Gaugisch. - Foto: Marco Wolf
20.04.2022 A-Frauen

Wie der Bundestrainer mit Tunesien Weltmeister wurde

Wie tickt Markus Gaugisch, was sind seine Ziele - und wie will er mit der Liga zusammenarbeiten?

Alle zusammen für das Gesamtprodukt Frauenhandball - um das Zugpferd Nationalmannschaft in Richtung Weltspitze zu bringen: das ist eines der Ziele vom neuen Frauen-Bundestrainer Markus Gaugisch. Nachgefragt beim gestrigen Medientermin berichtet der Schwabe, der am heutigen Mittwoch seinen 48. Geburtstag und am Donnerstag in der EM-Qualifikation gegen Griechenland in Almere seinen Einstand auf der DHB-Bank feiert (19.30 Uhr - live auf Sportdeutschland.TV), auch über seinen Start im Nationalteam, seine Philosophie und seinen „WM-Titel“ mit Tunesien.

Der neue Frauen-Bundestrainer Markus Gaugisch …

Über den Start mit der Mannschaft: Kommunikation ist ein wichtiges Thema, gerade in der Anfangsphase. Das vertiefte Kennenlernen muss Stück für Stück kommen und wachsen, ich muss ja auch den jeweiligen Kontext der Spielerinnen kennenlernen und einbeziehen. Es ist ja mehr als nur die Rolle auf dem Handballfeld, es geht um die Persönlichkeit, da brauchen wir Zeit. Übers Jahr sehen wir sehen uns nicht täglich, daher müssen wir die gemeinsame Zeit maximal nutzen, aber da sind wir schon auf einem guten Weg.

Über seine taktische Marschroute: Die Basis ist die Deckung, wir müssen flexibel und dynamisch in Abwehr und Angriff spielen, und auf dem Feld das Heft des Handelns in der Hand haben. Wir müssen Druck machen und dem Gegner wenig Zeit für Entscheidungen geben, um so Ballgewinne und Fehlwürfe zu provozieren.

Über den Weg zur Weltspitze: Mein Ziel ist die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2024 in Paris, bei Olympia war die deutsche Frauen-Nationalmannschaft schon länger nicht mehr dabei. Die Spielerinnen müssen auf diesem Weg dorthin Erfahrung auf höchstem Level sammeln. Und da sieht es diese Saison gut aus: Borussia Dortmund hat hervorragende Spiele in der Champions League abgeliefert, Bietigheim steht in der European League im FINAL4. Diese Erfahrung sollten die Spielerinnen nutzen, wenn sie auf höchstem internationalem Niveau gefordert sind, um den letzten Schritt in Richtung Weltspitze zu schaffen und in Paris 2024 dabei zu sein. Ich weiß aber, dass das ein ambitioniertes Ziel ist. Aber nur hohe Ziele bringen uns weiter.

Über die Kommunikation von Liga und Bundestrainer: Ich hatte immer guten Austausch mit Henk Groener über unsere SG-Spielerinnen, was deren Entwicklung betrifft. Um die individuellen Qualitäten der Spielerinnen zu verbessern, ist es wahnsinnig wichtig, dass man zusammenarbeitet. Ich bin nicht jeden Tag mit den Spielerinnen zusammen, aber ich will kontinuierlich im Austausch mit Trainern und Spielerinnen sein, um an der individuellen Qualität der Spielerinnen zu arbeiten. Je größer das Repertoire und je besser die Ausbildung, desto besser können wir Handball spielen. Ich biete meine Unterstützung an und gebe meine Eindrücke gerne weiter, denn das ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen: Wir als Nationalteam freuen uns über gut ausgebildete Spielerinnen in guter Form, die Vereine wissen, dass die Nationalmannschaft das Zugpferd für das Gesamtprodukt ist. Aktuell sind wir in der zweiten Reihe der öffentlichen Aufmerksamkeit, aber wenn die Nationalmannschaft erfolgreiche Turniere spielt, profitieren alle davon. Jeder sollte seinen eigenen Anspruch prüfen, um kooperativ das Produkt zu entwickeln. Ich hoffe, das bekommen wir hin.

Über die Professionalität in den deutschen Klubs: Der größte Unterschied zu den internationalen Topklubs sind die anderen Rahmenbedingungen, dass Spielerinnen dort Vollprofis sind. Wenn sie 30 bis 40 Stunden arbeiten, ist die Woche voll und die individuelle Entwicklung läuft nicht optimal. Man muss in Deutschland an den Möglichkeiten arbeiten, die die Spielerinnen vorfinden. Bei uns ist das Profitum ist nicht durchgängig, Schule und Studium können nebenher laufen, viele Spielerinnen gehen diesen Weg, und die Vereine schaffen diese Strukturen. Wir müssen gemeinsam immer nach vorne schauen, um diese Bedingungen zu schaffen. Wir als DHB müssen Spielerinnen beraten in Sachen Karriere- und Trainingsplanung, Studium, Schule oder Ausbildung - das müssen wir hinkriegen, denn nur Professionalisierung bringt ein Spitzenprodukt.

Über seine Anforderung an die Spielerinnen: Ich verlange, dass jede in jeder Einheit und jedem Spiel  bereit ist, 100 Prozent zu geben. Dann kann man Fehler verzeihen. Wichtig ist, dass man sich das anschaut und analysiert, warum es nicht funktioniert hat. Ich habe im Frauenhandball aber festgestellt: die Trainingseinheiten laufen immer mit 100 Prozent.

Über seine gemeinsame Trainertätigkeit mit DHB-Sportvorstand Axel Kromer in Mössingen: Unsere Söhne spielen zusammen dort, wir waren zwei, drei gemeinsam im Trainerteam. Wir wollten Kinderhandball-Training in guter Qualität anbieten. Wir können aber beide nicht ständig in Mössingen in der Halle stehen, daher wir haben ein Trainerteam zusammengestellt und eher selten zusammen trainiert. Aber: Wir sind Weltmeister geworden - bei der Mini-WM der Ludwigsburger Kreiszeitung, als Team Tunesien. Das war für die Spieler unvergesslich, und der Pokal war größer als die Spieler selbst. Aber viel wichtiger: Die Jungs haben sich individuell super entwickelt, und sind als C-Jugendliche schon weiter, als ich es in dem Alter war.

(BP)

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