„Ewiger“ Handball-Weltmeister
Herbert Lübking wurde 1969 ersten Nationalspieler mit mehr als 100 Einsätzen. - Foto: IMAGO Images / pmk
22.10.2021 A-Männer

„Ewiger“ Handball-Weltmeister

Herbert Lübking wird 80 Jahre alt / Prägende Persönlichkeit des deutschen Handballs in der Halle und auf dem Großfeld

Er war der weltbeste Handballer seiner Zeit auf dem Großfeld und in der Halle: Herbert Lübking vollendet an diesem Samstag, 23. Oktober, an seinem ostwestfälischen Wohnort in Dankersen (Kreis Minden-Lübbecke) sein 80. Lebensjahr. Herbert Lübking trug von 1962 bis 1973 insgesamt 139 Mal das Nationaltrikot der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) und erzielte dabei 650 Tore. Bei der Hallenhandball-Weltmeisterschaft 1964 in der Tschechoslowakei zeichneten die Fachjournalisten den damals 22-Jährigen mit dem Titel „bester Handballer der Welt“ aus, obwohl das DHB-Team nur Vierter wurde. Weltmeister auf dem Großfeld wurde Lübking zwei Jahre später und darf diesen Titel „ewig“ tragen, denn es war die letzte WM draußen auf dem Spielfeld mit Fußballplatzgröße.

Herbert Lübking ist in Dankersen (Ortsteil der Stadt Minden) geboren, wo er bis heute und inzwischen sogar als Ehrenbürger der Stadt Minden lebt. Der „kleine Herbert“ kam auf Anraten seines Sportlehrers mit acht Jahren zum TSV Grün-Weiß Dankersen (heute Bundesligist GWD Minden) und fiel bald durch sein großes Talent und seine rasante Schnelligkeit auf. Er lief später unter anderem die 100 Meter in 10,9 Sekunden. „Lübking, der technisch perfekte Individualist, liebte die Improvisation, das freie und wenn möglich körperlose Spiel. Er schätzte die Rolle des trickreichen, aber auch torgefährlichen Spielmachers. Diese Qualitäten hatte sich Lübking mit Talent, vor allem aber mit Willenskraft und eisernem Training angeeignet“, charakterisierte der renommierte Handball-Journalist und Historiker Erik Eggers den früheren Weltklassespieler einst in seinem Buch „Handball. Eine deutsche Domäne“.

Herbert Lübking wurde mit Grün-Weiß Dankersen (GWD) zweimal Deutscher Feldhandballmeister (1967 und 1970), dreimal Vizemeister (1962, 1964 und 1965) sowie dreimal Europapokalsieger (1968 bis 1970). Für GWD warf er zwischen 1959 und 1970 insgesamt 4011 Tore. Das Hallenspiel vom 11. Januar 1969 gegen Eintracht Hildesheim sei besonders herausgestellt: Da warf der 1,84 Meter große Rechtshänder Lübking allein mehr Tore als der Gegner insgesamt: Beim 39:18-Sieg für GWD markierte er 20 Treffer, darunter war nur ein Siebenmeter. Dieser Bundesliga-Rekord hielt 40 Jahre lang. Mit 4,7 Toren pro Spiel ist Herbert Lübking bis heute der toreffektivste Nationalspieler des DHB; ebenso war er 1969 der erste Nationalspieler mit mehr als 100 Einsätzen für den DHB, wofür ihm die Goldene Ehrenspange des DHB verliehen wurde; Herbert Lübking war der erste deutsche Handballer, der am 17. August 1968 in einer Weltauswahl zum Einsatz kam.

Viele ältere Handballfans erinnern sich aber auch noch an den Sommer 1970, als Herbert Lübking für die westdeutsche Handballszene völlig unfassbar vom Bundesligisten GWD zum Kreisligisten TuS Nettelstedt (einem Ortsteil von Lübbecke) wechselte, weil er sich beim Mäzen des Vereins eine berufliche Zukunft aufbauen konnte. Fortan stieg er mit dem Verein Jahr für Jahr auf bis in die Bundesliga, wo er in der Saison 1976/77 ein Comeback feierte. Da war das Comeback in der Nationalmannschaft schon fast wieder vergessen: Durch den Vereinswechsel in die Kreisliga war Lübking für die DHB-Auswahl nicht mehr haltbar. Erst auf Vermittlung von Willi Daume (1913-1996), dem ersten DHB-Chef und Vorsitzenden des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) für Deutschland, kehrte er noch einmal zurück und vertrat das DHB-Team von Bundestrainer Werner Vick (1920-2000) bei der olympischen Hallenpremiere 1972 in München, wo allerdings nur ein enttäuschender 6. Platz heraussprang. Im letzten deutschen Großfeld-Finale am 6. August 1975 wurde Lübking vor 6.000 Zuschauern in Lübbecke mit dem TuS Nettelstedt (14:15 gegen TSG Haßloch) Deutscher Vizemeister.

Herbert Lübking war später unter anderem Spielertrainer beim damaligen Oberligisten TBV Lemgo; er führte diese Mannschaft 1981 in die neu eingerichtete 2. Bundesliga. Sein letztes Spiel bestritt er mit 45 Jahren für den TuS Möllbergen (Stadt Porta Westfalica). Auch mit 80 geht Herbert Lübking weiterhin „seinem“ Angelsport nach, zumal er mit der Weser und dem Mittellandkanal passende Gewässer dazu direkt vor der Haustür hat. Der Jubilar steht als Vorbild für sportliche Fairness, Bescheidenheit, Bodenständigkeit, gepaart mit der Diplomatie und Ausgeglichenheit eines Waage-Mannes. Lübking erhielt 1978 für seine Verdienste im Handballsport das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse. Eine andere Auszeichnung steht immer noch aus: Die Aufnahme in die Hall of Fame des deutschen Sports der Deutschen Sporthilfe, wo er die Lücke zwischen Bernhard Kempa (1920-2017) und Heiner Brand (geb. 1952) füllen könnte. Wie kein anderer verkörperte Herbert Lübking mit seiner ästhetisch-kreativen Spielweise so erfolgreich den Übergang des Handballspiels in Deutschland vom Feld in die Halle.

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann

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