Im Gleichschritt in die Hauptrunde
Deutschlands letzter Vorrundengegner Polen ist punktgleich mit 4:0 Punkten – und das trotz einer schwierigen Ausgangslage
Als die polnische Mannschaft sich auf den kurzen Weg nach Bratislava machte, konnte sie vergangene Woche noch nicht ahnen, auf welcher Achterbahn der Gefühle sie sich die nächsten Tage befinden würde. Zunächst wurden fünf Spieler (darunter Torwart Adam Morawski und Abwehrchef Piotr Chrapkowski) positiv auf Corona getestet, dann stand sogar das Auftaktspiel in Österreich infrage – erst wenige Stunden vor dem Anwurf waren alle weiteren Tests, auch der nachgereisten Ersatzspieler, negativ, die Partie konnte stattfinden. Und dank einer überragenden Leistung von Linksaußen Arkadiusz Moryto (neun Tore) gelang ein 36:31-Erfolg gegen Österreich am ersten Spieltag – und am Sonntagabend machten die Polen mit dem überraschend deutlichen 29:20 gegen Belarus den Hauptrundeneinzug gemeinsam mit der deutschen Mannschaft perfekt.
Weil Polen die bessere Tordifferenz aufweist, ist man vor dem finalen Vorrundenduell am Dienstag (18 Uhr, ZDF) Gruppenerster, ein Remis reicht zum Gruppensieg. Aber wie die DHB-Auswahl spielt Polen auf Sieg, schließlich nimmt der Sieger der Partie beide Punkte mit in die Hauptrunde. „Das ist schon wie erstes Hauptrundenspiel“, sagte Co-Trainer Bartoz Jurecki, der den deutschen Handball aus seinen neun Jahren beim SC Magdeburg bestens kennt: „Wir sind aufgrund unserer ganzen Probleme super-glücklich, dass wir die Hauptrunde erreicht haben, und wir wissen, dass Deutschland eine tolle Mannschaft hat – aber wir wollen unsere Chance nutzen.“
Polen – da war doch was? Jeder Handballfan in Deutschland erinnert sich an den 4. Februar 2007, als die deutsche Nationalmannschaft vor 20.000 Fans in der Kölnarena und 22 Millionen vor den deutschen TV-Schirmen durch einen 29:24-Erfolg zum dritten Mal Weltmeister wurden. Nachdem die Polen 2009 und 2015 nochmals WM-Bronze gewannen, setzte mit den sukzessiven Abschieden der goldenen Generation um Karol Bielecki, Slawomir Szmal oder Jurecki ein Abschwung ein, an dem selbst Toptrainer wie Talant Dujshebaew verzweifelten.
Polen verpasste die Qualifikation für die EM 2018 und im Anschluss daran auch für die WM 2019. Weil wegen Corona keine Qualifikationsspiele für die WM 2021 ausgetragen konnten und sich die europäischen Teams nur aufgrund des Abschneidens bei der EM 2020 qualifizieren konnten, wo Polen nur den 21. Platz belegte, war das Thema eigentlich auch erledigt. Als WM-Gastgeber (mit Schweden) für 2023 erhielten die Polen allerdings eine Wildcard von der IHF. Bei der WM in Ägypten belegte man dann immerhin den 13. Platz – und trotzte der deutschen Mannschaft in Kairo ein Remis in der Hauptrunde ab. Polen qualifizierte sich als Dritter der Gruppe 5 hinter Slowenien und den Niederlanden für die EHF EURO 2022.
Trainer Patryk Rombel befindet sich mitten im Umbruch - sein Problem: bei den Topvereinen Vive Kielce und Wisla Plock spielen viele internationale Stars, die polnischen Talente spielen eher selten international. Zudem ist es die Aufgabe der Mannschaft, Werbung für die – gemeinsam mit Schweden veranstaltete – Heim-WM 2023 zu machen, und das ist bislang in Bratislava sehr gut gelungen. „Wir werden gegen Deutschland mit Feuer und Ehrgeiz antreten, wir haben es selbst in der Hand“, sagte Bartolomiej Bis am Montag.
Die deutsche Bilanz gegen Polen:
67 Spiele - 40 Siege - 6 Remis - 21 Niederlagen - Tordifferenz: 1574:1462
Neben dem WM-Finale von 2007 ist natürlich auch das Spiel um Platz drei bei den Olympischen Spielen von Rio in bester Erinnerung, als sich Deutschland durch ein 32:29 wenige Monate nach dem EM-Titel im polnischen Krakau auch Olympia-Bronze sicherte.
Die letzten sechs Spiele (5 Siege - 1 Remis - 0 Niederlagen):
- April 2019: EM-Qualifikation in Halle/Westfalen Deutschland - Polen 29:24
10. April 2019: EM-Qualifikation in Gliwice Deutschland - Polen 26:18
12. Dezember 2018: Freundschaftsspiel in Rostock Deutschland - Polen 35:23
21. August 2016: Spiel um Platz drei Olympische Spiele in Rio Deutschland - Polen 31:25
9. August 2016: Olympia-Vorrunde in Rio Deutschland - Polen 32:29
25. Januar 2021: WM-Hauptrunde in Kairo/Ägypten 23:23
Internationale Erfolge:
Vier WM-Medaillen (zuletzt Bronze unter dem deutschen Trainer Michale Biegler 2015 in Katar), einmal Olympia-Bronze und ein vierter Platz bei Europameisterschaften ist die polnische Ausbeute bei großen Turnieren. Von den vergangenen zehn EM-Turnieren hat Polen nur eines (2018) verpasst.
EM-Teilnahmen: 2002: 15 - 2004: 16 - 2006: 10 - 2008: 7 - 2010: 4 - 2012: 9 - 2014: 6 - 2016: 7 - 2020: 21
WM-Teilnahmen: 1958: 5 - 1967: 12 - 1970: 14 - 1974: 4 - 1978: 6 - 1982: BRONZE - 1986: 14 - 1990: 11- 2003: 10- 2007: SILBER - 2009: BRONZE - 2011: 8 - 2013: 9 - 2015: BRONZE - 2017: 17 - 2021: 13
Olympia-Teilnahmen:1972: 10 - 1976: BRONZE- 1980: 7 - 2008: 5 - 2016: 4
(BP)
