Schmid: EM-Teilnahme könnte Riesenschub bewirken
Mit 170 Länderspielen und 788 Treffern ist Andy Schmid der mit Abstand erfahrenste Spieler der aktuellen Schweizer Nationalmannschaft. Der 35-Jährige ist der einzige Schweizer im Kader, der bei der Heim-EM 2006 schon mit dabei war. Nach seinem Karrierestart in Zürich wechselte der Spielmacher 2009 für ein Jahr zu Bjerringbro nach Dänemark, seit 2010 ist Schmid einer der Stars der Rhein-Neckar Löwen, mit denen er EHF-Pokalsieger, DHB-Pokalsieger und zweimal deutscher Meister wurde. Fünfmal in Folge von 2014 bis 2018 wurde Schmid, der seinen Vertrag bis 2022 verlängert hat, zum besten Spieler der Bundesliga gewählt.
Vor dem Testspiel seiner Schweizer gegen Deutschland am 9. März (14 Uhr) im ISS Dome in Düsseldorf (live auf Sport 1) hofft der Routinier auf die EM-Qualifikation mit der Schweiz, die nach einer Niederlage in Kroatien und einem Heimsieg gegen Serbien auf Kurs EURO ist. Das Länderspiel gegen die DHB-Auswahl in Düsseldorf ist der große Test für die entscheidenden Quali-Partien gegen Belgien. In diesem Interview spricht Schmid über die Bedeutung des Handballs in seiner Heimat, sein Herz fürs Nationalteam und den Test gegen Deutschland.
Welche Bedeutung hat das Nationalteam für Sie?
Andy Schmid: Ich spiele unglaublich gerne fürs Nationalteam, in meinem Herzen bin ich Schweizer. Aber ich bin nicht mehr der Jüngste und muss deswegen abwägen, denn mein Hauptjob ist bei den Löwen, meine Heimat ist die Bundesliga. Macht es Sinn, bei jedem Testspiel dabei zu sein? Muss ich in der Quali auflaufen, wenn wir uns nicht mehr qualifizieren können? Wenn ich im Winter zwei, drei Wochen Pause machen kann, hilft das ungemein, sowohl dem Körper als auch dem Kopf.
Aber aktuell dürfte die Entscheidung fürs Nationalteam leicht fallen, schließlich sieht es nach dem Überraschungserfolg gegen Serbien sehr gut für die Schweiz aus, was die Qualifikation für die EM 2020 betrifft?
Andy Schmid: Wir haben es erstmals seit vielen Jahren wieder einmal selbst in der Hand. Gewinnen wir im April beide Spiele gegen Belgien haben wir eine herausragende Ausgangslage. Daher liegt unser Fokus ganz auf diesen beiden Spielen, aber wir dürfen nicht verkrampfen. Vor allem müssen wir Routiniers den jungen Spielern den Druck nehmen. Ich war 2006 bei der Heim-EM dabei - und ich will unbedingt noch mal ein großes Turnier spielen.
Was ist entscheidend für einen weiteren Aufwärtstrend des Schweizer Handballs?
Andy Schmid: Ganz einfach: Es geht nur über den Schritt ins Ausland. Je mehr Spieler einen Verein im Ausland finden, desto stärker wird die Nationalmannschaft. In der Schweiz muss man sich nicht nur auf den Sport konzentrieren, man hat einfach zu viel Abwechslung. Im Ausland stehen nicht Kumpels und Kino im Vordergrund, sondern nur der Sport. Ich habe es an mir gemerkt: So richtig weiterentwickelt habe ich mich erst, als ich ins Ausland gewechselt war.
Wie bewerten Sie unter diesen Gesichtspunkten Ihre Landsleute, die bei HBL-Klubs spielen?
Andy Schmid: Ich denke, die kommen alle sehr gut an. Lenny Rubin ist noch jung, der braucht in Wetzlar noch seine Zeit, um sich zu entwickeln. Alen Milosevic ist seit seinem Wechsel nach Leipzig ein Riesengewinn für die Nationalmannschaft, Samuel Röthlisberger und Lukas van Deschwanden gehen in Stuttgart ihren Weg. Man merkt es all in Nationalteam an, dass sie viel selbstbewusster auftreten, dem Druck standhalten. Sie bekommen keine zitternden Knie mehr in entscheidenden Situationen, sondern wissen, welche Kleinigkeiten wichtig sind.
Wo steht der Handball in der Schweiz im Vergleich mit anderen Sportarten?
Andy Schmid: Tennis, Ski alpin, Eishockey und allgemein der Wintersport liegen im öffentlichen Interesse noch klar vor dem Handball, da sind wir abgeschlagen. Aber ich denke, bei den Mannschaftssportarten sind wir auf Rang drei, zum Beispiel vor Basketball oder Volleyball.
Da käme eine EM-Teilnahme 2020 doch wie gerufen, um für mehr Popularität zu sorgen?
Andy Schmid: Das wäre ein Riesenerfolg für unseren Sport, dann wären wir mal wieder auf der großen Bühne, würden live im Schweizer Fernsehen gezeigt werden. So könnten wir viele Leute für den Handball begeistern. Eine gewisse Entwicklung gab es schon in den vergangenen Jahren, zum Beispiel kommen nun 4000, 5000 Fans zu unseren Heimspielen. Wir gehen in die großen Arenen, nicht mehr in irgendwelche Schulsporthallen. Dieser Schritt war enorm wichtig für den Handball in der Schweiz. Der Knackpunkt war unser EM-Qualifikationsspiel 2016 gegen Deutschland, als 10.000 Fans in der Arena in Zürich waren, das war ein Meilenstein für unseren Verband. Und zuletzt gegen Norwegen und Serbien waren wir in 7000er Hallen, und es kamen über 4500 Zuschauern.
Vor den entscheidenden EM-Qualifikationspartien gegen Belgien kommt es nun zum Testspiel in Düsseldorf, vor über 10.000 Fans - ist das etwas Besonderes für Sie, in Deutschland zu spielen?
Andy Schmid: Ich war schon beim Qualifikationsspiel 2017 in Bremen mit dabei, es ist also kein Neuland für mich. Nun geht es für uns natürlich ums Einspielen für Belgien. Eine Kulisse wie in Düsseldorf ist hingegen Neuland für viele unserer jungen Spieler. Aber wir kommen sicherlich nicht nach Düsseldorf, um das Spiel abzuschenken. Wir sind gegen eine Mannschaft wie Deutschland zwar der klare Außenseiter, aber wir wollen schon zeigen, was wir können. Aber in Deutschland in einer solchen Halle gegen Deutschland zu spielen, wird bestimmt nicht einfach.
Ist es eine Ehre für die Schweiz, erster deutscher Gegner nach der Heim-WM zu sein?
Andy Schmid: (lacht): Nein, es sollte eine Ehre für Deutschland sein, das erste Spiel gegen uns zu bestreiten. Ich habe die WM im Malediven-Urlaub sehr intensiv verfolgt.
Und war dieses Turnier auch eine spezielle Motivation für Sie, mit der Hoffnung, 2020 selber auf der Platte zu stehen?
Andy Schmid: Es kribbelt jedes Jahr, wenn ich sehe, wie die anderen ein großes Turnier spielen. Es ist bitter, wenn du nur Zuschauer bist. Ich drücke bei den Turnieren natürlich Deutschland die Daumen, speziell dieses Jahr, als ich diese Begeisterung in den Hallen und das riesige Medieninteresse am Handball sah. Ich werde aber nicht jünger, und ich habe seit 2006 kein großes Turnier mehr gespielt, also ist die Motivation, 2020 dabei zu sein, riesengroß.
Quelle: BP