Künftige Entwicklungsschritte im deutschen Nachwuchs
Auch für die weibliche U17-Nationalmannschaft spielt die Entwicklung eine entscheidene Rolle. - Foto: Filip Filipovic
16.10.2021 U20/21m

Künftige Entwicklungsschritte im deutschen Nachwuchs

International vernetzt, mehr Einbindung der Spezialisten / DHB-Sportvorstand Kromer und DHB-Chef-Bundestrainer-Nachwuchs Beppler im Interview

Im dritten und letzten Teil der Serie zum erfolgreichen Nachwuchssommer blicken DHB-Sportvorstand Axel Kromer und DHB-Chef- Bundestrainer Nachwuchs Jochen Beppler auf die erfolgreichen Turniere dieses Jahres zurück, aber noch mehr voraus auf 2022 und die Maßnahmen, die gerade für die „Corona-Jahrgänge“ anstehen. Ein wichtiger Teil der künftigen Ausrichtung ist der internationale Austausch und eine europaweite Vernetzung. 

Angesichts von zwei Medaillen fällt Ihr Fazit sicherlich positiv aus, oder? 
Jochen Beppler: Wir haben einem äußerst erfolgreichen Sommer im Nachwuchsbereich hinter uns, mit der EM-Goldmedaille für die männliche U19 und EM-Silber bei der weiblichen U17. Gemeinsam mit Ungarn waren wir im EHF-Ranking der Nachwuchsturniere dieses Sommers die Nummer 1, das macht uns sehr stolz. Erfolgreiche Ergebnisse zu erzielen und hut auszubilden bedingt sich zwar nicht, aber schließt sich auch nicht aus.
Axel Kromer: Wir haben zudem gesehen, dass wir in der weiblichen und männlichen A-Jugend sehr breit aufgestellte Kader mit einer hohen Qualität haben. Das ist ein gutes Zeichen für die Zukunft, auf diese Jahrgänge können wir aufbauen. Wenn wir mittelfristig auch in den A-Nationalmannschaften hiervon profitieren wollen, müssen wir uns vorrangig um die sensible Phase der Anschlussförderung nach dem Jugend- und Juniorenbereich kümmern, den jungen Spielerinnen und Spielern den Anschluss in den Seniorenbereich erleichtern - und das geht natürlich nur in Kooperation mit den Vereinen. 

Welche Schlüsse ziehen Sie aus den Turnieren? 
Axel Kromer: Wir haben die Turniere dieses Sommers intern ausgewertet und werden in Kürze mit den jeweiligen Landes- und Vereinstrainern die nächsten Entwicklungsschritte thematisieren und besprechen. Da steht natürlich auch der Abgleich des Anforderungsprofils an unsere Talente auf der Tagesordnung - denn für deren Entwicklung haben wir eine gemeinsamen Verantwortung. 
Jochen Beppler: Im Kontakt und der Kooperation mit Trainerkolleg*innen haben wir allerdings auch nächste Schritte und Potenziale besprochen. Das war sehr konstruktiv und effizient. Auch werden wir verschiedene Aspekte aus diesen Analysen in die aktuelle Trainerausbildung einfließen lassen. Außerdem werden sich sehr kompetente Trainer aus dem Nachwuchsbereich auch in der Zeitschrift „handballtraining” daran machen, die RTK in die Hallenrealität zu übertragen, um somit Trainer*innen auf allen Ebenen und Altersstufen die richtigen Anknüpfungspunkte für die Nachwuchsausbildung an die Hand zu geben.   
Axel Kromer: Dass wir eine tolle Perspektive für unsere Nachwuchsspielerinnen und Nachwuchsspieler haben, zeigt eindeutig die PotAS-Studie, wo wir in diesem Bereich sowie den generellen Strukturen für die Nachwuchsförderung 100 Prozent erreicht haben. Aber: Wir müssen in allen Bereichen hungrig bleiben, denn aktueller Erfolg ist nie gleichbedeutend mit weiterer Entwicklung. 

Wie sehen die nächsten Schritte für die Nachwuchsmannschaften aus? 
Jochen Beppler: Neben vielen konzeptionellen Entwicklungen, werden wir insbesondere im nächsten Jahr ein besonderes Augenmerk auf die „Corona-Jahrgänge“ legen, 2006 bei der weiblichen Jugend und 2005 bei der männlichen Jugend, bei denen 2020/2021 die Förderung wegen der Pandemie sehr kurz kam. Wir intensivieren für sie unsere Bemühungen, um ihre Entwicklung voranzutreiben. Zum Beispiel wird auch die weibliche Jugend 2022 am European Youth Olympic Festival im slowakischen Banska Bystrica teilnehmen, wo bislang immer nur die männliche Jugend antrat. Den Auftakt macht aber eine gemeinsame Maßnahme mit dem polnischen Nachwuchs. Zudem wird es für diese Mannschaft, aber auch generell im weiblichen Nachwuchs, verstärkt Lehrgänge und Länderspiele mit der Schweiz geben.  
Axel Kromer: Im männlichen Nachwuchs werden uns ebenfalls international breiter aufstellen. Bereits im Oktober wird es für die Jugend-Nationalmannschaft eine gemeinsame Maßnahme mit Israel geben, zudem wird die Zusammenarbeit im Nachwuchs auch auf den spanischen Verband, und später auch Portugal, ausgebaut. Im Januar - gleich nach dem Deutschland-Cup - steht für den männlichen Jahrgang 2005 zudem ein zusätzlicher Vergleich mit Polen auf dem Programm.  

Das heißt, gerade der internationale Austausch soll forciert werden, um langfristig Erfolge und Entwicklung sicherzustellen? 
Jochen Beppler: Genau, mit diesen neuen gemeinsamen Maßnahmen - und mit der bestehenden Zusammenarbeit mit den Niederlanden oder Ungarn - sind wir künftig fast flächendeckend in Europa vernetzt, nachdem es über Jahre hinweg vorrangig der erfolgreiche alljährliche Austausch mit Frankreich im Rahmen des Deutsch-Französischen Jugendwerks war. Wir sehen, was in anderen Ländern passiert, und stehen auch im Austausch mit erfolgreichen Nationen. Davon profitieren nicht nur die Spielerinnen und Spieler, sondern auch unsere Trainer. 
Axel Kromer: Dabei haben wir natürlich auch im Blick, dass es gerade in den Nachbarländern wie Frankreich, Ungarn, der Schweiz oder den Niederlanden zu einer immer stärkeren Zentralisierung in der Nachwuchsausbildung kommt und dort, wie in Ungarn, erfolgreiche Akademien entstanden sind. Das legt die Messlatte für uns natürlich höher, wenn wir mit diesen Ländern konkurrieren wollen. Unser Ansatz ist allein aufgrund der Größe Deutschlands ein anderer, wir setzen auf die permanente Kooperation von DHB mit Landesauswahlen und Vereinen, damit die Spielerinnen und Spieler sich dort entwickeln können. Aber die Arbeit an den Stützpunkten muss eben stärker koordiniert werden.  

Fast alle Nachwuchsmannschaften haben aktuell oder hatten gerade ihre ersten Lehrgänge, was hat sich dort geändert? 
Jochen Beppler: Was die Sichtungen betrifft, kommen wir internationalen Trends nach und legen neben dem gewohnten Fokus auf individuelle und kooperative Spielfähigkeit noch mehr Wert auf das Tempospiel. Generell werden wir im Nachwuchs künftig unsere Spezialisten noch stärker einbinden. Denn es hat sich gezeigt, dass die Impulse von Athletik-Bundestrainer David Gröger oder des leitenden DHB-Torwarttrainers Mattias Andersson spürbar von Erfolg gekrönt sind. 

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