Der Sprung ins kalte Wasser
Der Sprung ins kalte Wasser
In der Vergangenheit haben für Union 92 Halle oft die Routiniers die Kastanien aus dem Feuer geholt. In der aktuell schwierigen Personalsituation des Handball-Drittligisten übernehmen aber auch die Jüngsten Verantwortung. Zum Beispiel Marleen Fräßdorf und Anna Lena Bergmann, die Sonntag im schweren Heimspiel gegen SG Kirchhof ihren Beitrag zu einer Überraschung leisten wollen.
Beide sind beim TuS 97 Bielefeld-Jöllenbeck groß geworden, beide haben dort in der Jugend- Oberliga im Rückraum gespielt, beide müssen jetzt in der dritthöchsten Spielklasse der Frauen auf den Flügeln ran: Linkshänderin Anna Lena (Jahrgang 1996) als Rechtsaußen, Rechtshänderin Marleen (Jahrgang '95) als Linksaußen. Aber an den Rand gedrängt fühlen sich die Neulinge keineswegs – im Gegenteil: »Wir sind supernett aufgenommen worden, der große Altersunterschied zu einigen Spielerinnen ist überhaupt kein Problem. Im Haller Team wird nicht rumgezickt.«
Die schnelle Integration hat beiden den Sprung ins kalte Wasser erleichtert. Anna Lena Bergmann, die schon seit Januar in Halle mittrainiert, war noch 17, als im Frühjahr bei Stammrechtsaußen Jenna Teigelmeister das Kreuzband riss. Die Linkshänderin stand als Ersatz gegen HSV Minden-Nord gleich voll in der Pflicht und wurde von den Teamkolleginnen toll unterstützt: »Ich hatte ja mit dem Wechsel die Herausforderung gesucht. Aber zuerst ist es schon ein komisches Gefühl. Ich habe dadurch aber auch viel Selbstvertrauen gewonnen«, beschreibt die frisch gebackene Studentin ihren Kaltstart. Als gelernte Rückraumspielerin arbeitet sie hart an ihrer Wurftechnik von außen – »dabei kann ich von Jenna viel lernen. Auch meine Dynamik muss sich verbessern.«
Der Ehrgeiz, dazu zu lernen und sich auf einer hohen Leistungsebene zu behaupten, treibt auch Marleen Fräßdorf an. Die Lehramtsstudentin aus Enger, deren erste Nachwuchstrainerin die Ehefrau von Steinhagens Jugendkoordinator Olaf Grintz war, gehörte als Jugendliche zum Kader der Westfalenauswahl. »Zusammen mit den Talenten aus Leistungszentren wie Blomberg zu trainieren, das hat mich zusätzlich motiviert.« Trotzdem hat sie in der Vorbereitung und den ersten Spielen mit Halle schnell erkannt, wie groß der Sprung ist: »Trotz der Nervosität hat es bei mir aber ganz gut geklappt. Die Intensität ist natürlich viel höher. Aber ich trainiere gerne hart und viel und will mich ja auch noch weiter verbessern.«
Mit dieser Einstellung passt Marleen Fräßdorf bestens ins Haller Team. Die Stimmung sei trotz der vielen Fallstricke zu Saisonbeginn und der schlechten 2:6-Punkte-Bilanz bestens: »Nach der unnötigen Niederlage in Bayreuth haben wir uns natürlich mächtig geärgert. Aber das ›Oktoberfest‹ auf der Rückfahrt im Bus hat gezeigt, dass wir gut wir zusammen halten.« Das soll am Sonntag der Tabellendritte SG Kirchhof zu spüren bekommen. Der Ex-Bundesligist aus Melsungen bei Kassel ist mit der rumänischen Linkshänderin Cristina Mihai (bisher 39 Tore), der Halblinken Marieke Blase (30/Zweitspielrecht beim Deutschen Meister Thüringer HC) und anderen Top-Spielerinnen stark besetzt und steht aktuell bei 6:2 Punkten. »Erfolg muss erarbeitet werden«, lautet die Forderung von Halles Coach Uwe Landwehr an die eigene Mannschaft. Er erwartet, dass seine Vorgaben noch präziser umgesetzt werden und »gegen eine der besten Angriffsreihen der Liga« im Abschluss konsequenter agiert als in Bayreuth. Die Rückkehr von Edita Medjedovic und Katrin Thiede ins Team macht Hoffnung, dass das gelingt.