Endstation Auswärtssieg: Konstanz nimmt Fans mit auf wilde Achterbahnfahrt
Endstation Auswärtssieg: Konstanz nimmt Fans mit auf wilde Achterbahnfahrt
Es war wieder einmal spannend bis zur allerletzten Sekunde - doch nach zuletzt zwei Niederlagen in Folge vor der dreiwöchigen Spielpause gelang der HSG Konstanz bei der Bundesligareserve des HBW Balingen-Weilstetten ein 32:31 (12:15)-Auswärtssieg.
„Wer uns zusieht, erlebt keinen langweiligen Handball“, so Mannschaftskapitän Patrick Glatt nach der Partie. Und in der Tat, hatte sein Team die rund 70 mitgereisten HSG-Fans - wie schon so oft in dieser Saison - mit auf eine wilde Handball-Achterbahnfahrt genommen. Eine, die schon mit einem unguten Gefühl in der Magengegend einem bitteren Ende entgegen zu laufen schien. Etwas mehr als 40 Minuten waren gespielt, und die HSG Konstanz lag mit 19:21 zurück. Hatte Fabian Schlaich kurz zuvor an seiner alten Wirkungsstätte zum wiederholten Male nur die Latte getroffen, so befand sich sein Team kurz darauf in einer rasanten Abwärtsspirale. Patrick Glatt versuchte mit einem langen Pass einen schnellen Gegenstoß einzuleiten, doch der hellwache HBW-Torhüter Karim Ketelaer war schneller als die HSG-Angreifer und fing den Pass kurz vor der Mittellinie ab. Dann, nur eine Zeigerumdrehung später,- es stand nun bereits 22:19 -, die Duplizität der Ereignisse: Wieder ein langer Pass, und wieder war Ketelaer schneller als die HSG. Als kurz darauf auch noch das 23:19 (44.) für Balingen fiel, war das üble Ende in greifbare Nähe gerückt.
Dabei hatte alles so wunderbar für Konstanz begonnen. Die Begegnung hatte mit einem hohen Tempo beider Teams von Beginn an einen rasanten Aufstieg der HSG zu bieten. Mit einer beweglichen und aggressiven Abwehrarbeit ließen die Gäste dem spielstarken Kontrahenten keinen Raum zur Entfaltung. Und in der Offensive wurde schnell, schörkellos und konsequent der Abschluss gesucht. Der Lohn: Nach knapp 16 Spielminuten führte die HSG mit 8:4 und befand sich auf einem angenehmen Höhenflug. Der vorläufige Höhepunkt war jedoch erreicht. In schwindelerregender Geschwindigkeit ging es fortan erst einmal steil bergab für die Konstanzer. In sieben Minuten hatte Balingen-Weilstetten das erste Mal überhaupt beim 10:10 gleichziehen und kurz darauf beim 12:11 (25.) gar die erste eigene Führung erzielen können. Doch damit nicht genug, denn in den verbleibenden Minuten der ersten Halbzeit nutzte der HBW die aufkommende Nervosität und die daraus resultierenden Abstimmungsprobleme in der HSG-Abwehr sowie die nun fehlende Zielstrebigkeit und Konsequenz im Angriff der Konstanzer zu einem Zwischenspurt, der mit dem 15:12-Halbzeitstand nur kurz gestoppt wurde. „Wir haben viele Lücken geschaffen, immer einen Gegenspieler mehr binden können - und dann sind wir wieder in unseren Trott verfallen, haben den Ball auf zehn Metern nur weiter- und die Spielzüge nur stur runtergespielt. Das reicht nicht“, zeigte sich Sebastian Groh wenig erbaut über die Phase kurz vor der Pause.
Nach der Halbzeit hatten sich die Gäste zwar wieder etwas von der Talfahrt erholt, der Umschwung sollte aber, trotz großen Einsatzes, (noch) nicht gelingen. In einem zunehmend kämpferisch geprägten Spiel war es nun ein offener Schlagabtausch, bei dem Balingen für jeden Angriff den richtigen Konter parat hatte. Bis sich Konstanz endgültig auf dem unsanften Weg nach unten befand und Ketelaer auch noch zwei Chancen zum Gegenstoß vereitelte und sein Team mit vier Treffern in Front lag. Bis zur 52. Minute konnte sich die HSG von diesen Nackenschlägen nicht erholen und es sprach beim Spielstand von 28:25 alles für einen Heimsieg der Jung-Gallier von der Alb. „Wir haben in der Spielpause richtig gut trainiert und ich hatte immer das Gefühl, dass wir das noch drehen können“, hatte Simon Flockerzie den Glauben an einen guten Ausgang allerdings nie verloren.
Die letzten Minuten waren schließlich nichts für schwache Nerven. In einer wilden, kurvigen, mit Loopings garnierten Schlussphase stellte Konstanz wieder einmal seine Kämferqualitäten und seinen langen Atem unter Beweis. Auch Yannick Schatz konnte wieder einige Minuten mitwirken, nachdem seine Kniebeschwerden etwas abgeklungen sind. Der den Cheftrainer Daniel Eblen vertretende Co-Trainer Andre Melchert hatte sein System nun auf zwei Kreisläufer umgestellt und damit genau die richtige Lösung gegen die zumeist sehr defensive Abwehrformation der Gastgeber gefunden. Daniel Eblen war derweil in Konstanz bei seiner Frau geblieben, da die ersten Anzeichen für eine eventuell kurzfristige Geburt seines ersten Kindes zu sehen waren. Die sich jetzt auftuenden Lücken wusste vor allem der insgesamt neun Mal erfolgreiche Mathias Riedel immer wieder zu nutzen. „Wir wollten diesen Sieg unbedingt für Dani, Otto, Flocke und Fabi - und natürlich für die vielen Fans“, meinte Andre Melchert. „Zum Glück haben wir das langsame, parallele Spiel ohne Zug zum Tor der zweiten 15 Minuten der ersten Hälfte ab der 45. Minute wieder abschütteln, Tempo und Druck aufbauen und sehr diszipiniert, mit den richtigen Entscheidungen und mit kühlem Kopf doch noch die Wende herbeiführen können. Das ist den Jungs hoch anzurechnen.“
So war nach 55 Minuten wieder alles offen, der 29:29-Ausgleich geschafft. Als die HSG schließlich das 31:29 erzielt hatte und nicht einmal mehr zwei Minuten zu spielen waren, wähnten sich die vielen lautstarken HSG-Fans schon auf der sicheren Seite. Ihre Mannschaft ließ sie aber noch einmal das ganze Achterbahn-Programm in Kurzfassung durchlaufen, als Balingen 52 Sekunden vor dem Schlusspfiff doch noch einmal zum 31:31 ausgleichen konnte. Den Schlusspunkt setzte indes Matthias Faißt zum 32:31-Siegtreffer. Dann war die wilde Berg- und Talfahrt endgültig vorbei, Endstation Auswärtssieg. Großer Jubel zusammen mit den Fans und spürbare Erleichterung folgten. Balingen hatte dagegen nach diesem Ritt mit weniger guten Gefühlen zu kämpfen. „Das Ergebnis ist nicht zufriedenstellend, unser Spiel war aber dennoch richtig gut. Wir haben den Vorsprung am Ende leider nicht halten können, das ist schade“, stellte ein trotzdem sehr zufriedener HBW-Trainer Eckard Nothdurft fest. „Es hat zum Schluss die klare Birne, klare Torchancen zu erspielen, gefehlt.“
Am Sonntag empfängt die HSG Konstanz um 17.00 Uhr in heimischer Schänzle-Sporthalle zum letzten Heimspiel dieser Drittliga-Saison mit dem SV Salamander Kornwestheim nun einen Gegner, der die letzten Zweifel am Klassenerhalt mit einem Punktgewinn in Konstanz ausräumen möchte. Einsteigen, festhalten - bei der nächsten wilden Fahrt…?!
HSG Konstanz: Glatt, Folchert; Kaletsch (7/3), Mittendorf, Oesterle, Groh (2), Riedel (9), Hafner (1), Flockerzie (3), Schlaich (4), Faißt (6), Schatz, Lauber, Bruderhofer. - Zuschauer: 550