HSG Konstanz gewinnt dramatische Abwehrschlacht in Pforzheim
HSG Konstanz gewinnt dramatische Abwehrschlacht in Pforzheim
In einer wahren Abwehrschlacht behielt die HSG Konstanz beim Meisterschaftsfavoriten TGS Pforzheim trotz ungünstiger Vorzeichen knapp mit 20:19 (10:10) die Oberhand und kann nach dem dritten Sieg im vierten Auswärtsspiel als aktuell Drittplatzierter mit 12:4 Punkten nun am kommenden Samstag um 20 Uhr in der Schänzle-Sporthalle mit einem Sieg im Nachholspiel gegen den Tabellenzweiten Oppenweiler/Backnang die Tabellenführung erobern.
„Das war sicher kein gewöhnliches Spiel“, musste HSG-Cheftrainer Daniel Eblen nach dem erneut nervenaufreibenden Spiel seiner jungen Mannschaft erst einmal tief durchatmen. Nur 39 Tore in 60 Handball-Minuten, alleine das untermauert die Aussage des Konstanzer Coaches. Aber auch die Art und Weise des Zustandekommens war außergewöhnlich. Es war ein harter, hochspannender und am Ende dramatischer Abnutzungskampf der zwei besten Abwehrreihen mit den wenigsten Gegentreffern der Liga.
Sinnbildlich dafür waren zwei Auszeiten in der 56. und 59. Minute. Kaum einer der Akteure konnte noch richtig stehen und es darf bezweifelt werden, ob etwas von dem, was die beiden Übungsleiter ihren Spielern mit auf den Weg geben wollten, überhaupt noch bei ihnen ankam. Alleine das Adrenalin hielt die Spannung und den Körper aufrecht.
Dabei hatte Konstanz im Kräftemessen mit der geballten Handball- und Bundesliga-Erfahrung der Pforzheimer schon vor dem Anpfiff zwei bittere Pillen zu schlucken. Rückraum-Ass Mathias Riedel, in den letzten Partien ein entscheidender Faktor in Abwehr und Angriff, musste erkrankt ebenso passen wie der zuletzt zum Matchwinner avancierte und nun frischgebackene Junioren-Nationaltorwart Stefan Hanemann, nachdem er im Training unglücklich umgeknickt war. Dazu ging Paul Kaletsch durch eine Erkältung geschwächt in die Partie.
Dennoch war Paul Kaletsch „in der ersten Halbzeit unser Mann im Angriff mit wichtigen Toren“, wie Daniel Eblen zu Protokoll gab. Kaletsch selbst war froh, dass sein Team angesichts der ungünstigen Vorzeichen von Anfang an konzentriert zur Sache ging und mit einer aggressiven Deckung dem Favoriten gut Paroli bot. So meinte der siebenfache Torschütze: „Wir wussten, dass die TGS von ihren guten Rückraumschützen lebt. Denen wollten wir das Leben möglichst schwer machen – und das ist eindrucksvoll gelungen. Dadurch haben wir ihnen ihre gefährlichste Waffe genommen.“
Doch auch Pforzheim beeindruckte mit einem schier unüberwindbaren Innenblock und hatte mit dem Bundesliga erfahrenen Daniel Sdunek (35) einen sicheren Rückhalt im Tor, der den Konstanzern ein um das andere Mal die Nerven raubte. Die Folge war eine ausgeglichene Partie, in der sich zwar keine Mannschaft absetzten konnte, in der Konstanz aber nach der 2:1-Führung der Gastgeber (6.) immer ein Tor vorlegen konnte (6:7, 19.).
„Wir haben den Ausfall von Mathias Riedel über die Verteilung der Aufgaben auf mehrere Schultern mit einer hervorragenden Mannschaftsleistung kompensieren können“, zeigte sich Daniel Eblen vor allem zufrieden mit der kompromisslosen und effektiven Abwehrarbeit von Michael Oehler und Kai Mittendorf. Zusammen mit dem Konstanzer Abwehrverbund erstickten sie ein geordnetes Pforzheimer Aufbauspiel durch konsequentes, entschlossenes und vor allem frühes Stören schon im Keim. „Wir haben wirklich eine super Abwehr gespielt und uns darüber Sicherheit für den Angriff geholt. Es nimmt etwas Druck weg, wenn man weiß, dass nicht jeder Fehler entscheidend ist, weil wir ihn hinten wieder ausbügeln können.“
Beim 8:7 (21.) lag die TGS zwar wieder in Front, doch Paul Kaletsch konnte kurz vor der Halbzeit den wichtigen 10:10-Ausgleich markieren, sodass für die zweite Halbzeit in einem hart umkämpften Match weiterhin für beide Teams alles möglich war. Und Daniel Eblen hatte angesichts der guten Leistung seiner Mannschaft, aber vor allem aufgrund des Verhaltens seiner Youngsters in der Kabine ein gutes Gefühl. „Ich habe es selten erlebt, dass sich die Jungs so intensiv vor Wiederanpfiff unterhalten haben. Die wollten unbedingt gewinnen. Das gesamte Team hat komplett mit 100 Prozent Herzblut agiert.“
Ein Gefühl, das ihn nicht täuschen sollte. Nach 39 Minuten machte sich der große Einsatz langsam auch im Ergebnis bemerkbar und es gelang der HSG erstmals, sich auf 15:12 etwas abzusetzen. Gespielt waren trotz des niedrigen Zwischenergebnisses schon knapp 43 Minuten. Selbst von etwas Pech im Abschluss und bei der zweiten Zeitstrafe innerhalb von nur zwei Minuten für Konstanz ließ sich die HSG nicht beeindrucken. Fabian Schlaich sprang der abgelegte Ball noch an den Fuß und musste wie Paul Kaletsch das Feld vorübergehend verlassen. Die folgende Überzahl brachte die Gastgeber wieder zurück in das Spiel und zum 15:15-Ausgleich.
Nun Schlug die Stunde des 21-jährigen Linkshänders Felix Krüger, der nach einem ersten Fehlversuch die Nerven behielt und den zuvor überragenden und kaum mehr zu bezwingenden TGS-Keeper Daniel Sdunek mit drei wuchtigen Treffern aus dem Rückraum ganz alt aussehen ließ. Dazu Konstantin Poltrum, der nun reihenweise glänzend parierte und Konstanz hatte sich wieder ein Drei-Tore-Polster erarbeitet (19:16, 57.). Daniel Eblen hob beide mit einem Sonderlob hervor: „Konstantin hat richtig stark gehalten und dem Team damit enorm geholfen. Es war sehr wichtig, dass Felix mit seinen Toren zusätzlich noch Platz für seine Mitspieler geschaffen und sich als weitere Waffe für uns präsentiert hat.“ Für Paul Kaltesch war es zudem die „Galligkeit in der Abwehr, das körperliche und emotionale Verteidigen“, das letztlich den Ausschlag gab.
Eigentlich schienen beide Mannschaften in der anschließenden Auszeit schon am Ende und Konstanz kurz vor der Überraschung in der neuen Bertha-Benz-Halle. Erneut zwei Zeitstrafen für die HSG, zuerst eine 5:1- und anschließend eine ganz offensive Deckung der Goldstädter sorgten schließlich doch noch einmal für Hochspannung: noch 36 Sekunden zu spielen und die TGS war wieder auf 18:19 herangekommen. Matthias Stocker war es dann, der seine Farben 12 Sekunden vor dem Ende mit dem 20. Treffer erlöste und in einen kollektiven Glücksrausch versetzte, weil der 19:20-Schlusspunkt von Pforzheim drei Sekunden vor der Schlusssirene zu spät kam. Der erste Sieg in der dreijährigen gemeinsamen Drittliga-Zeit in der Goldstadt für die HSG Konstanz überhaupt war perfekt.
Für Daniel Eblen ein ganz wertvoller Sieg, der seiner Meinung nach ferner auf „zwei bis drei Gegenstöße mehr, die wir uns erarbeitet hatten“, zurückging. „Dazu die Tore in Unterzahl kurz vor dem Zeitspiel durch Felix – das war ungemein wichtig und hat den Gegner sicher etwas demoralisiert. Bei den Zeitstrafen und der offensiven Abwehr am Ende kann das aber doch noch einmal schief gehen, zum Glück haben wir einen kühlen Kopf bewahrt. Ich muss der Mannschaft heute für ihre Leistung und ihren Willen ein Kompliment aussprechen, das war wirklich stark.“ Vielleicht sogar ein Big Point bei einem zuletzt mit 8:2 Punkten ins Rollen gekommenen Kontrahenten? „Dafür ist es noch zu früh“, bremst Paul Kaletsch, „wir sind auswärts mit drei Siegen in vier Spielen sehr gut und fast sicherer als zu Hause und in Pforzheim werden sicher nicht viele Teams gewinnen. Ein wertvoller Sieg war es aber auf jeden Fall.“
HSG Konstanz: Maximilian Wolf, Konstantin Poltrum (Tor); Fabian Schlaich (1), Benjamin Schweda, Marius Oßwald, Kai Mittendorf, Simon Flockerzie (2), Matthias Stocker (4), Michael Oehler (1), Paul Kaletsch (7/3), Felix Krüger (3), Alexander Lauber (2), Fabian Maier-Hasselmann, Tim Jud.
Zuschauer: 400.