Internationale Stars im kleinsten Bundesliga-Dorf
Internationale Stars im kleinsten Bundesliga-Dorf
Alle guten Dinge sind drei für den TSV Rödelsee in seiner Drittliga-Saison mit Torschützenkönig Bostjan Hribar.
Am Fuße des Schwanbergs im Fränkischen Weinland liegt idyllisch die Gemeinde Rödelsee. Die Einwohner sind ein gemütliches Völkchen und wissen Feste zu feiern. Doch wenn es um den Handball geht, ist die Gemütlichkeit nur sekundär, im handballverrückten Weindorf sind die Handballer aufmümpfig und scheuen sich vor keinen großen Namen. Im mit 1 700 Einwohnern kleinsten Bundesliga-Dorf gehen die Handballer in ihre dritte Drittliga-Saison. Wie einst die Gallier Asterix und Obelix gegen die Römer, so fühlen sich die Rödelseer gegen große Namen wie den TV Großwallstadt.
Der Meistertitel in der Bayernliga und Drittliga-Aufstieg war die Krönung des Lebenswerks des Managers Wilfried Demel, der den TSV Rödelsee aus den Niederungen der Bezirksoberliga bis in Deutschlands dritthöchste Spielklasse puschte. Höherklassig hatten die Schwanbergler vorher schon Erfahrung, aber nur auf dem Großfeld in den 1960er-Jahren, als die Rödelseer in der Oberliga – der damals höchsten Spielklasse mitmischten – und große Namen wie Arthur Lichtlein oder Sepp Karrer vor 2 500 Zuschauern in der Winzergemeinde aufliefen. Mit dem Hallenhandball musste Rödelsee kleinere Brötchen backen, erst das Engagement von Wilfried Demel holte den Verein aus der Handball-Provinz. Im Jahr 1998 holten die Rödelseer die Slowaken Dusan Suchy und Peter Bohunizky zum TSV, drei Jahre danach folgte Radovan Suchy.
Erst als Spieler und später als Spielertrainer entwickelte sich Dusan Suchy zum Erfolgstrainer, mit dem die Unterfranken im Jahr 2002 erstmals den Landesliga-Aufstieg schafften. Danach kehrte Radovan Suchy in seine Heimat zurück und es dauerte zwei Spielzeiten, bis der Suchy-Truppe die Landesliga-Rückkehr gelang. Über Jahre hinweg funktionierte die Kombination aus Eigengewächsen mit ein paar Routiniers bestens. Einstige Profihandballer wie der weißrussische Ex-Nationalspieler und zweifache Weltmeister Youri Karpouk verliehen dem Verein Glanz und hinter Leitwölfen blühte der eigene Nachwuchs auf. Der Titel in der Landesliga im Jahr 2008 bildete den nächsten Meilenstein in den Annalen des TSV Rödelsee und der handballerische Architekt Wilfried Demel, dessen drei Söhne allesamt in der Ersten Mannschaft standen, bastelte weiter im Hintergrund. Als um Weihnachten des Jahres 2010 die Rödelseer im Abstiegsstrudel der Bayernliga zu versinken drohten, landeten sie einen Glücksgriff: Sie verpflichteten den 197-fachen Nationalspieler Tschechiens, Michal Tonar. Obwohl damals schon 39 Jahre alt, schlug Tonar bombastisch ein und bewahrte Rödelsee vor dem Abstieg. Mehr noch: Die Schwanbergler mauserten sich dank der Torjägerqualitäten Tonars zur zweiten Kraft in der Handballregion Würzburg hinter der DJK Rimpar. Stand davor Rimpar noch im Weg, war es im April 2013 so weit: Im Duell mit dem TSV Lohr machten die Rödelser ihr Bayernliga-Meisterstück und Micky Tonar durfte verdient in die Handballer-Rente gehen.
Durch gute Beziehungen – wie zum Magier Vlado Stenzel – fand Rödelsee mit dem Slowenen Bostjan Hribar im Sommer 2013 den passenden Nachfolger für Tonar. Hribar war einst in Hildesheim und Großwallstadt in der 1. Bundesliga auf Torjagd gegangen hatte seine Laufbahn nach einer langwierigen seine Laufbahn schon fast beendet. Praktisch vom Strand seiner slowenischen Heimat verpflichteten die Rödelseer den Ex-Internationalen. Der mittlerweile 37-Jährige schwang sich zwei Spielzeiten hintereinander zum Torschützenkönig der 3. Liga Süd auf und darf als die sportliche Lebensversicherung der Unterfranken gelten. Tobias Demel ist mittlerweile als Manager in die Fußstapfen seines Vaters getreten und weiß, was er am „Bosti“ hat. Tobias Demel hat die Ausgliederung der Drittliga-Handballer aus dem Verein in eine eigenständige UG forciert und fungiert als Geschäftsführer. Sportlich gab Dusan Suchy als Trainer bis Februar 2014 den Ton an, ehe Fritz Zenk als Feuerwehrmann einsprang. Im Oktober vergangenen Jahres löste Radovan Suchy als Spielertrainer ab und arbeitet dabei mit seinem Bruder Dusan Suchy als Sportlicher Leiter eng zusammen. Mit Ende der vergangenen Saison hängte der 38-jährige Radovan Suchy sein Trikot an den Nagel und will sich fortan voll auf den Trainerjob konzentrieren.
Wie sich die Zeiten ändern: Um die Jahrtausendwende herum tummelte sich Rödelsee noch in der Bezirksoberliga, während er TV Großwallstadt einen Europapokal (City-Cup) holte. Vor zwei Jahren als Khalid Kahn den TVG trainierte, trafen beide Mannschaften beim Rimpar-Cup erstmals in einem Vorbereitungsspiel aufeinander. Und jetzt: Wenn der TSV im September sein erstes Saisonheimspiel bestreitet, heißt der Gegner im Punktspiel TV Großwallstadt. Plakativer ist es nicht darzustellen: Die Rödelseer sind wer in Handball-Deutschland und der Umstand, dass mit Andreas Wieser ein junger Torwart im Sommer zum TSV Rödelsee gewechselt ist, spricht für sich.