MTV Altlandsberg: Großer Kampf beim Sieben-Nationen-Team
MTV Altlandsberg: Großer Kampf beim Sieben-Nationen-Team
Es war ein Tanz auf des Messers Schneide. Und das können die Frauen des MTV Altlandsberg plötzlich auch. An einem turbulenten, ungewöhnlichen Handball-Wochenende siegten sie beim HSV 1956 Marienberg mit 18:16 (7:10) und führen jetzt die Tabelle mit 8:0 Punkten an.
Die Vorbereitung auf diese Partie gegen den Dritten der vergangenen Saison war – sagen wir mal – wunderschön, aber unter sportwissenschaftlichen Gesichtspunkten nicht optimal.
MTV-Linksaußen Annika Fleck feierte in Berlin ihren 30. Geburtstag. Die Musik war prima. Die Gäste – Familie, Freunde und ihre Handball-Gang, die alle ein vielfältiges Programm auf die Beine gestellt hatten – waren bestens drauf. Aber solch ein Abend vor der Reise ins Erzgebirge? Zu einem ganz starken Gegner, der sozusagen eine Osteuropa-Auswahl mit Spielerinnen aus sieben Nationen aufbot?
„Das war schon ein gewisses Risiko“, gab Trainer Fabian Lüdke zu. Und es hätte auch schiefgehen können. Aber ich habe aufs Verantwortungsbewusstsein meiner Mannschaft vertraut. Die wusste, was auf dem Spiel stand.“ Annika Fleck, die als Gastgeberin den Überblick behielt: „Die Mädels haben so gut wie gar keinen Alkohol getrunken und sind auch alle nicht so sehr lange geblieben. Nur ich musste ja durchalten, kam erst morgens gegen 5 Uhr ins Bett. Aber ich hätte ohnehin nicht früher schlafen können, weil ich emotional viel zu aufgewühlt war.“
Konnte das gutgehen? Als Annika Fleck dann bei einem der ersten Angriffe über ihre eigenen Beine stolperte und den Ball verlor, musste man schlimmes befürchten. Aber nicht nur die routinierte Blondine wirkte weniger geschmeidig als in den Spielen zuvor. Der Kampf stimmte, aber die spielerische Justierung ließ sehr zu wünschen übrig. In einigen Szenen etwas langsam in der Deckung, Phantasielosigkeit im Angriff, dazu wieder mal jede Menge technische Mängel und Fehlwürfe.
Das war nicht der MTV der ersten drei Spiele. Und schon gar nicht das Altlandsberg-Team vom glanzvollen 32:25-Triumph zuletzt gegen Bad Salzuflen. „Das war die mit Abstand schwächste Halbzeit dieser Saison“, urteilte gnadenlos MTV-Handball-Abteilungsleiter Georgios Tsapanos über den 7:10-Pausenrückstand.
Ein Glück, dass das erfahrene HSV-Team in sehr angenehmer Atmosphäre – schöne Halle, sehr freundliche Gastgeber, ein leidenschaftlicher aber sehr fairer Ansager – ziemlich großen Respekt vor dem Tabellenführer hatte. Der Nationen-Mix ist zudem nicht leicht zu händeln. Drei Damen aus Tschechien, zum Beispiel, wohnen nach wie vor hinter der 10 Kilometer entfernten Grenze. Eine fährt jeweils über eine Stunde aus Prag zum Training und zu den Spielen.
„Wir verständigen uns in Deutsch und Englisch“, verriet der dänische Marienberg-Trainer Bjarne Jakobsen, der einige Neue im Team hat. „Alle müssen jetzt zum Sprachunterricht. In einem halben Jahr wird hier nur noch Deutsch geredet. Und wenn sich unsere Kommunikation verbessert, dann wird auch unsere sportliche Leistung wieder steigen.“
Die war auch schon am vergangenen Sonnabend phasenweise sehr beeindruckend. Vor allem, als die Gastgeberinnen in diesem torarmen Spiel aus dem 6:6 (23. Minute) bis zur Pause eine 10:7-Führung machten. Vor allem die tolle Rückraum-Staffel der Damen in Blau glänzte da. Die Reihe Evelina Kalasauskaite (1,80 m, Litauen, zuletzt HV Rödertal), Lucie Hribova (1,77 m, Tschechien, früher Sparta Prag, Hypo Niederösterreich) und Marcela Splechtova (1,75 m, 2015 Tschechischer Meister und Pokalsieger mit Banik Most) ist Extraklasse.
Umso höher ist zu loben, was sich dann aus Sicht des MTV in den zweiten 30 Minuten abspielte. Was war da zur Pause in der Kabine passiert? „Unsere Mädels weigerten sich einfach, sich von dem Spielverlauf und dem schwächeren Zwischenergebnis runterziehen zu lassen. Das war letztendlich spielentscheidend“, so noch einmal Georgios Tsapanos. „Sie haben Charakter gezeigt. Und das zeichnet eine starke Mannschaft aus.“
Was konkret sprach Fabian Lüdke an? Der Coach: „Ich habe einfach noch einmal auf das hingewiesen, was wir uns schon vor dem Spiel vorgenommen hatten – mit ständigem kreuzen Marienbergs Innenblock auseinanderziehen, um die notwendigen Lücken zu finden. Das klappte dann in der zweiten Halbzeit besser. Wichtig war, dass wir unmittelbar nach der Pause innerhalb von fünf Minuten wieder zum 11:11 ausgeglichen hatten.“
Sieben Treffer fanden sich in der Endabrechnung auf dem Konto der Neu-30-erin Annika Fleck. Toll! Aber (fast) alle steigerten sich. Und es wurden Lösungen gefunden, die den Gegner, aber auch den mitgereisten Anhang überraschten. Zum Beispiel, als Sophie Lütke (5 Tore) von der Aufbaumitte in den linken Rückraum wechselte und nun Mandy Seering die Regie übernahm. Und als Viktória Várkonyi, eigentlich Rückraumspezialistin, zur allgemeinen Verblüffung an die Kreismitte rückte.
„Da hatte ich noch nie gespielt, es nur mal im Training probiert“, so die MTV-Ungarin, die nach ihrer Verletzungspause (Knieprobleme) einen prima Wiedereinstand hatte. Zwar gelang ihr noch kein Treffer. Aber Vicky holte nach vielversprechendem Zusammenspiel mit Mandy Seering Siebenmeter heraus. Wichtig.
So konnten Altlandsbergs Kämpferinnen aus dem 11:13-Rückstand (39.) eine 17:13-Führung (46.) machen. Die Vorentscheidung! Jetzt sind die MTV-Damen, die in der vorigen Saison den Klassenerhalt nur in der Relegation schafften, Spitzenreiter mit 8:0 Punkten. Langsam wird`s unheimlich.
HSV: Flemming, Reichel; Gaitzsch, Kalasauskaite 5/1, Weingardt 1, Kracmanova, Konarzewska. Splechova, Hribova 1, Grigore 4, Schererova, Kolomaznikova 5.
MTV: Höft, Haß; Berger 1, Lütke 5, Mandelkow, Trzczak 3, Münzer, Fleck 7/3; Domann 2, Várkonyi, Seering, Żychniewicz, Schönfelder.