Nach Handball-Fest in Leutershausen: HSG Konstanz mit einem Bein in 2. Bundesliga
Nach Handball-Fest in Leutershausen: HSG Konstanz mit einem Bein in 2. Bundesliga
28:28 (15:14) leuchtete es nach 60 Minuten, die Werbung für den Handball waren, von den Anzeigetafeln des nicht ausverkauften Hexenkessels Heinrich-Beck-Sporthalle in Leutershausen. Das Drittliga-Gipfeltreffen zwischen dem Tabellenzweiten und Spitzenreiter HSG Konstanz hatte sie alle begeistert, die 900 einheimischen und die 150 mitgereisten Konstanzer Zuschauer. Ein Spitzenspiel, das alles gehalten, was die prickelnde Ausgangssituation versprochen hatte – und eine insbesondere von den vielen fanatischen HSG-Anhängern verbreitete Gänsehaut-Atmosphäre über mehr als zwei Stunden bot.
SGL-Trainer Marc Nagel lobte denn auch direkt nach dem Schlusspfiff beide Mannschaften: „Das war ein tolles, umkämpftes Spiel. Man hat auch gesehen, warum beide Teams vorne stehen. Beide können mit solch einer Kulisse und kritischen Situationen umgehen, da verliert keiner die Nerven.“ Bemerkenswert dabei vor allem die Reaktion der Gäste aus Konstanz, eines der jüngsten Teams der Liga. Lange hatte die HSG selbst geführt, wie beim 0:2, 5:7 und 9:12 (23.), doch dann kam eine immer stärker werdende SG Leutershausen mit Macht zurück. Bis auf 20:16 (37.) hatten die „Roten Teufel“ vorgelegt – der Moment, wo das Spiel zu kippen drohte. Leutershausen obenauf, wie im Rausch, Konstanz scheinbar am Boden.
Doch nur acht Minuten später war alles wieder offen, 21:21. Ein irrsinniges Comeback der HSG Konstanz, das nach 53 Zeigerumdrehungen noch einmal eine Steigerung erfahren sollte. Es war ein irres Auf und Ab, das die stimmgewaltigen HSG-Fans, die die fremde Halle fest beherrschten und längst als eindeutiger Sieger des Schlagabtauschs auf der Tribüne feststanden, zu sehen bekamen. Schien nun Konstanz dabei, die Oberhand zu gewinnen, erfuhr das Handball-Fest in der Kurpfalz erneut eine unerwartete Wendung. 24:24 (53.) und die HSG Konstanz im Angriff. Der treffsichere, starke HSG-Kapitän Fabian Schlaich zieht in die Mitte, erhält einen Schlag in das Gesicht und geht zu Boden. Die Reaktion der Schiedsrichter: Zweiminuten-Zeitstrafe für den Linksaußen wegen angeblicher Schauspielerei.
Was folgte, war die Reaktion eines Spitzenreiters: In doppelter Unterzahl gelang vier Konstanzer Feldspielern die erneute 25:24-Führung, die kurz darauf Paul Kaletsch sogar auf 26:24 ausbauen konnte. Die HSG Konstanz stand nun ganz dicht vor dem vorzeitigen Gewinn der Süddeutschen Meisterschaft und der Rückkehr in die 2. Bundesliga. Leutershausen wollte den ersten Matchball der HSG allerdings unbedingt verhindern und kam mit ebenfalls bemerkenswerter Reaktion und schnellem Zusammenspiel, das erfolgreich Räume für den Rückraum schuf, nach dem Konstanzer 27:25 zurück zum 27:27 (57.) – der Auftakt in eine turbulente, dramatische Schlussphase. Der starke Paul Kaletsch war es schließlich, der den letzten Treffer für die Gelb-Blauen vom Bodensee markierte, die im Gegensatz zu Leutershausen mehr Aufwand für ihre Tore betreiben musste. Das 28:27 knapp drei Minuten vor dem Ende sollte allerdings nicht den Sieg bringen, weil Sascha Pfattheicher der Ausgleich zum 28:28 gelang.
Konstanz hatte zwar noch mehrmals die Chance zum Siegtreffer – doch alle Gelegenheiten zur Entscheidung verpufften. Weil auch Leutershausen im letzten Angriff der Partie nicht an der guten Konstanzer Deckung und Torhüter Konstantin Poltrum vorbeifand, hieß es am Ende leistungsgerecht 28:28. Damit hat Konstanz nach dem 24:23-Heimsieg im Hinspiel nicht nur den direkten Vergleich gewonnen, sondern konnte den Fünf-Punkte-Vorsprung auf den einzigen Verfolger verteidigen. Ein Punkt aus den beiden letzten Partien reicht der HSG somit zum Meistertitel – allerdings muss Leutershausen am Mittwoch um 20 Uhr erst einmal das schwere Nachholspiel beim Tabellendritten Hochdorf unbedingt gewinnen. Ansonsten ist Konstanz schon am Mittwoch vorzeitig Meister und kehrt nach 2004 wieder in das Bundesliga-Unterhaus zurück. Allerdings würde der Vizemeistertitel nach derzeitigem Stand ebenfalls den direkten Aufstieg in die Zweite Liga ohne den Umweg über die Relegation bedeuten.
Daniel Eblen meinte nach dem Spiel daher überaus zufrieden: „Es war das erwartet schwere Spiel mit einem gerechten Ausgang, der uns mehr nützt als Leutershausen. Ich freue mich aber auch über das geile Spiel.“ Die hochklassige Partie, von guten Abwehrreihen und wurfgewaltigen Rückraumschützen in Person vom zehnmal erfolgreichen Stefan Salger und dem sechsfachen Torschützen Jochen Geppert bei den Gastgebern, sowie einer starken Leistung der Konstanzer Außen Fabian Schlaich und Fabian Maier-Hasselmann geprägt, sei „ein Spiegelbild der Saison gewesen“, so Eblen. „Wir wussten, wie wir mit der Situation umgehen mussten, nicht nur deshalb bin ich unglaublich stolz auf die Jungs. Wir konnten die Last in der zweiten Halbzeit auf mehrere Schultern verteilen und haben uns durchgebissen. Mental waren wir zur richtigen Zeit voll da. Solch intensive Spiele werden nicht durch Taktik oder Strategie entschieden, hier geben die Emotionen den Ausschlag.“
Damit war ein spielentscheidender Punkt angesprochen, in dem Konstanz einen wahren Trumpf und ein klares Plus zu verzeichnen hatte: die Fans. Schon lange vor Anpfiff boten die Konstanzer Anhänger eine zweitligareife Vorstellung, entrollten ein meterlanges Spruchband mit der Botschaft „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ und hielten Transparente, auf denen die 3. Liga bereits durchgestrichen und mit einem Pfeil zur 2. Liga versehen war sowie eine großes Plakat mit den Konstanzer Trikots und der Aufschrift „Heut ist Euer Tag“ in die Höhe. Matthias Stocker sprach stellvertretend für die Mannschaft völlig überwältigt von der eindrucksvollen Unterstützung ein großes Kompliment und ein riesiges Dankeschön an die Fans aus: „Das hat alles getoppt, was ich bisher erleben durfte. So etwas habe ich noch nie erlebt, daran werde ich mich sicher mein ganzes Leben erinnern. Absolut gigantisch, unsere Fans haben das wieder einmal zu einem Heimspiel gemacht. Einfach Gänsehaut pur, eigentlich gibt es dafür keine Worte.“ Daher hatten die HSG-Fans auch das treffende Schlusswort auf einem weiteren meterlangen Spruchband nach Spielende in die Höhe gereckt: „Wir sind stolz auf Euch/Uns“. Das konnten sie zu Recht sein. Die Mannschaft und die Zuschauer waren erneut ein perfektes Team – und ein erfolgreiches.
SG Leutershausen – HSG Konstanz 28:28 (15:14)
HSG Konstanz: Konstantin Poltrum, Stefan Hanemann (Tor); Fabian Schlaich (4), Benjamin Schweda, Marius Oßwald, Mathias Riedel (7), Kai Mittendorf, Simon Flockerzie (1), Matthias Stocker (4), Michael Oehler (1), Paul Kaletsch (6/2), Alexander Lauber, Fabian Maier-Hasselmann (5), Tim Jud.
Zuschauer: 1050.