Überraschung in Zweibrücken: Tabellenführer HSG Konstanz lässt Federn
Überraschung in Zweibrücken: Tabellenführer HSG Konstanz lässt Federn
Überraschend ja, aber ebenso verdient: Zweibrücken feierte den von Trainer, Abteilungsleitung und Fans als „Sensation“ betitelten 30:28 (14:14)-Sieg gegen Spitzenreiter HSG Konstanz überschwänglich.
Zweibrückens Trainer Stefan Bullacher war der gefragteste Mann nach dem Schlusspfiff. Mit schweißgetränktem T-Shirt, einem breiten Grinsen im Gesicht und bester Laune durfte er einen Glückwunsch nach dem anderen in der winzigen Ignaz-Roth-Halle entgegen nehmen. Nur schrittweise kam er dabei voran, bis er freudestrahlend mitteilen konnte: „Das waren unfassbar wichtige Punkte für uns. Seit sechs Wochen stehen wir etwas abgeschlagen da, jetzt haben wir wieder den Anschluss hergestellt.“
Auch auf die vielgestellte Frage, wie die Überraschung ausgerechnet gegen den Spitzenreiter möglich gewesen sei, wusste er eine klare Antwort: „Meine Mannschaft hat unglaublich eindrucksvoll gekämpft. Alles, was wir uns vorgenommen hatten, hat hervorragend funktioniert.“ Sein Erfolgsrezept, das er sich breitgelegt hatte: mit einer aggressiven, sehr offensiven 3:2:1-Abwehr mit Paul Kaletsch und Mathias Riedel die Rückraumkanoniere der HSG im ständigen, schnellen Eins-gegen-Eins weit weg vor der Gefahrenzone attackieren und überhaupt nicht erst zur Entfaltung kommen lassen. „Dazu mussten wir Simon Flockerzie am Kreis unbedingt kontrollieren“, meinte Bullacher zu seinem zweiten Schachzug – und auch dieser ging vollends auf.
Außerdem bestätigte Zweibrückens Handball-Abteilungsleiter Christian Gauf die Einschätzung der einheimischen Zuschauer: so gut wie gegen Konstanz hatte sich sein SV in dieser Saison noch nicht gezeigt. Gewiss, der SV 64 war mit der besten Saisonleistung der verdiente Sieger. Und dennoch musste sich Konstanz auch an die eigene Nase fassen, denn die sonst so sattelfeste 6:0-Deckung fand bis auf Phasen gegen Ende der Partie zu keiner Zeit zur gewohnten Stabilität und ließ beide Torhüter auf verlorenem Posten. Mit dem Angriff war HSG-Cheftrainer Daniel Eblen zwar über weite Strecken zufrieden, doch die vielen vergebenen Chancen insbesondere von den Außenpositionen bereiteten ihm zunehmend Sorgen. „Machen wir dort ein paar Tore mehr, bekommt der Rückraum auch wieder mehr Raum“, wusste er. So musste sich Matthias Stocker – wenn auch äußerst gekonnt – mit sehenswerten Schlagwürfen behelfen.
Zwar konnte sich seine junge Mannschaft nach 15 Minuten erstmals mit drei Toren absetzten (9:6), doch nach dem 10:7 blieb die HSG zehn Minuten ohne eigenen Treffer. Zweibrücken hatte diese Schwächephase konsequent über ihre drei überragenden und insgesamt für 22 Tore verantwortlich zeichnenden Akteure Nils und Aris Wöschler sowie Junioren-Nationalspieler Robin Egelhof, der elfmal erfolgreich war, zur eigenen 13:10-Führung genutzt.
„Wir haben weder mit Zug noch auf irgend einer Position am Optimum gespielt“, bilanzierte Daniel Eblen rückblickend. „Im Gegensatz zu Zweibrücken, die alle so gut wie noch nie in dieser Saison waren. Da ging auch noch nach 50 Minuten jeder Wurf in den Winkel rein.“ Bis zur Pause war seine Mannschaft wieder am Drücker, glich zum 14:14 aus, lag aber in der 39. Spielminute erneut mit drei Toren in Rückstand (16:19). Für Daniel Eblen setzte sich spätestens hier eine Negativspirale in Gang, die seine Mannschaft langsam aber sicher in den Abgrund einer unerwarteten Niederlage zog. Mehrmals hatte die HSG Konstanz die Chance zum Anschluss ausgelassen, traf wiederholt nur die Latte oder scheiterte am guten SV-Schlussmann Ladislav Kovacin. „Wenn der Außenseiter nach 50 Minuten immer noch vorne liegt, wittert er natürlich Morgenluft. Gleichzeitig steigt der Druck für uns – und heute waren wir nicht abgezockt genug.“
Stattdessen erhöhte Zweibrücken sein Polster vom 24:22 zum 26:22 (53.) weiter – und damit den Druck auf Konstanz. Doch noch war der Tabellenführer nicht geschlagen. Binnen zwei Minuten war die HSG wieder dran: 25:26 und noch fünfeinhalb Minuten waren zu spielen. Zu mehr als dem Anschluss und der mehrmaligen Möglichkeit zum Ausgleich reichte es jedoch nicht. Florian Enders erlöste die Rheinland-Pfälzer mit dem 30:28-Endstand zehn Sekunden vor dem Ende und sorgte für frenetischen Jubel im Lager der Gastgeber.
Daniel Eblen führte die Niederlage vor allem auf fehlende Aggressivität und Absprache sowie fehlendes Gleichgewicht in der Deckung zurück. „Gerade Egelhof haben wir nicht in den Griff bekommen, da haben wir die Cleverness vermissen lassen“, monierte der Konstanzer Übungsleiter. „Bei Zeitspiel war klar, dass der Wurf über ihn kommen wird, trotzdem haben wir nicht klug agiert und hätten ihm mehr auf den Füßen stehen müssen.“
Trotzdem ließ er sich von diesem Rückschlag an der Stelle, wo schon Nußloch mit 26:30 verloren hat, nicht beeindrucken: „Wir werden weiterarbeiten wie bisher und müssen uns von dem Druck, der sich nun aufbaut, befreien. Es gibt 15 Mannschaften in dieser Liga, die gerne mit uns tauschen würden.“ Sein Team müsse wieder freier agieren, denn, so Eblen, „es ist ein Privileg, an der Spitze zu stehen. Das müssen wir einfach genießen und unseren Weg weitergehen.“
Zweibrückens Trainer Stefan Bullacher ist sich sicher, wo dieser Weg hinführen wird: „Konstanz wird trotzdem aufsteigen, weil es den besten Trainer und das beste Kollektiv der Liga hat. Was Daniel Eblen aus dieser Mannschaft geformt hat, wie er aus der Not, ohne Linkshänder im Rückraum agieren zu müssen, eine Tugend gemacht hat, ist einfach überragend.“ Ein junges Konstanzer Kollektiv, das in Zweibrücken jedoch nicht wie gewohnt funktionierte. Am 9. April kommt nun der VfL Pfullingen in die Schänzle-Sporthalle.
SV 64 Zweibrücken – HSG Konstanz 30:28 (14:14)
HSG Konstanz: Konstantin Poltrum, Stefan Hanemann (Tor); Fabian Schlaich (1), Marius Oßwald, Mathias Riedel (6), Kai Mittendorf (1), Simon Flockerzie (2), Matthias Stocker (7), Michael Oehler, Paul Kaletsch (7/3), Alexander Lauber (3), Fabian Maier-Hasselmann (1), Tim Jud.
Zuschauer: 350.