Gensheimer-Gala sorgt für „Gänsehaut” - Handballer siegessicher vor Chile-Spiel
Gensheimer-Gala sorgt für „Gänsehaut” - Handballer siegessicher vor Chile-Spiel
Der WM-Auftakt wurde zur Gala von Uwe Gensheimer. Die Mitspieler verneigten sich vor ihrem Kapitän, der trotz des plötzlichen Tods seines Vaters gegen Ungarn groß auftrumpfte. Gegen Chile soll der nächste Sieg folgen.
Auch am Tag nach seiner Auftakt-Gala bevorzugte Uwe Gensheimer die Stille. Während seine Teamkollegen im Hotelfoyer bestens gelaunt über die nächste WM-Aufgabe parlierten, suchte der Kapitän die Abgeschiedenheit seines Zimmers.
Der plötzliche Tod seines Vaters, die Last-Minute-Anreise nach Rouen, dann der imponierende 13-Tore-Auftritt gegen Ungarn: Nach turbulenten Tagen brauchte Gensheimer am Samstag Zeit für sich. „Er hat eine unheimlich schwere Woche hinter sich und hat das überragend gemacht”, sagte Bundestrainer Dagur Sigurdsson und zollte seinem Leader höchsten Respekt: „Einfach ohne Worte, wie er das schafft.”
Und auch die Mannschaft verneigte sich vor ihrem Kapitän. „Wahnsinn, dass er imstande war, so eine Leistung abzurufen”, sagte Julius Kühn. Der Rückraumspieler habe „auf dem Spielfeld eine Gänsehaut verspürt”, als Gensheimer das deutsche Team wenige Tage nach dem persönlichen Schicksalsschlag zum 27:23-Auftaktsieg gegen Ungarn führte. „Solche Geschichten schreibt nur der Sport”, sagte Kühn. Steffen Fäth gab zu, „auch sehr mitgenommen” zu sein. „Viele Spieler wären nicht einmal zu so einem Turnier angereist. Dass er das so gemacht hat, ist einfach überragend, Weltklasse”, sagte der Spielmacher.
Im wahrscheinlich schwersten Spiel seines Lebens hatte Gensheimer eines seiner besten Länderspiele gezeigt. Keine 24 Stunden vor der Partie angereist, bewies der Star von Paris St. Germain bei acht verwandelten Siebenmetern Nervenstärke und traf immer dann, wenn es eng zu werden drohte. Die Gedanken an seine Familie, bei der er die letzten Tage vor dem Turnier verbracht hatte, schienen ihn zu beflügeln.
Noch vor dem Auftaktspiel hatte Gensheimer die Mannschaft um sich geschart und eine emotionale Rede gehalten. „Er hat gefordert, dass man ganz normal mit ihm umgeht. Und das haben wir auch gemacht”, sagte Kühn. Keeper Andreas Wolff sprach von einer „großartigen Ansage”, die Gensheimers „Charakter unterstreicht”.
Auf diesen Charakter können die deutschen Handballer auch im zweiten Gruppenspiel gegen Chile zählen. Zwar wird Gensheimer in der kommenden Woche noch einmal zur Beerdigung nach Deutschland reisen, doch am Sonntag (14.45 Uhr/handball.dkb.de) ist der Weltklasse-Linksaußen definitiv dabei.
Trotz einiger kritischer Phasen gegen Ungarn ist das Selbstvertrauen im deutschen Lager riesig, alles andere als ein Sieg gegen die Chilenen wäre eine herbe Enttäuschung. „Wir sind in meinen Augen klar besser”, sagte Sigurdsson: „Das müssen wir auf dem Platz zeigen. Ich bin mir aber sehr sicher, dass wir das auch machen werden.”
Die Chancen auf den fest eingeplanten zweiten Sieg bezifferte der Isländer auf 70:30. „Wir sind routinierter, körperlich stärker, haben mehr Erfahrung und sind die besseren Handballer”, sagte Sigurdsson.
Torhüter Silvio Heinevetter, neben Gensheimer bester deutscher Akteur gegen Ungarn, warnte aber davor, den nächsten Gegner zu unterschätzen, und bezeichnete die Chilenen als „spielstarkes und sehr ausgeglichenes Team”. Die Südamerikaner hatten ihr erstes Turnier-Spiel gegen Weißrussland mit 32:28 gewonnen. Es war ihr erster Sieg bei einer WM gegen eine europäische Mannschaft.
Coach Sigurdsson, der am Sonntag auf den selben Kader wie im Ungarn-Spiel setzt, charakterisierte die chilenische Spielweise als „schnell”, „aggressiv” und „unausrechenbar”. Zudem habe sein Team zuletzt „nicht so gute Erfahrungen” mit südamerikanischen Mannschaften gemacht. Bei den Olympischen Spielen in Rio verlor die DHB-Auswahl gegen Gastgeber Brasilien, gegen Argentinien vor zwei Jahren bei der WM tat sie sich lange schwer.
Und dennoch soll Chile nur zu einer weiteren Zwischenstation auf der deutschen Medaillen-Mission werden. „Das ist eine Aufgabe, die wir erfüllen müssen und erfüllen werden”, versprach DHB-Vizepräsident Bob Hanning: „Wir wollen als erster oder Zweiter aus der Gruppe gehen, das muss jetzt unsere Zielsetzung sein.”