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„Moralischer Sieger“ - Konstanz ganz dicht vor Sensation gegen Zweitligist Coburg

17.08.2015
17.08.2015 · DHB-Pokal, 3. Liga, Männer 3. Liga, Staffel Süd · Von: pm verein

„Moralischer Sieger“ - Konstanz ganz dicht vor Sensation gegen Zweitligist Coburg

Duplizität der Ereignisse: Wie schon im September 2013, damals noch im Drittliga-Duell, hatte die HSG Konstanz am Samstag nach zwischenzeitlicher Vier-Tore-Führung den großen Favoriten und mittlerweile um den Aufstieg in die 1. Bundesliga mitspielenden HSC 2000 Coburg auch im DHB-Pokal am Rande einer Heimniederlage. Nach einer beeindruckenden Vorstellung und gewonnener zweiter Halbzeit musste sich Konstanz aber erneut sehr unglücklich hauchdünn mit 24:25 (10:12) geschlagen geben – exakt wie vor knapp zwei Jahren. Doch dieses Mal war die HSG Konstanz der „moralische Sieger“, wie Paul Kaletsch meinte.

Coburg gegen Konstanz, das waren in der Vergangenheit immer hart umkämpfte, spannende und oftmals hochdramatische Duelle. 2013 war einer dieser Tage im Leben eines Sportlers, an dem kein Lob, keine Anerkennung, kein noch so nett und gut gemeintes Wort helfen können. Die Enttäuschung der Konstanzer nach der knappen Niederlage war riesig. Nun, knapp zwei Jahre später, war alles wieder wie damals. Zumindest der Spielverlauf ähnelte dem der ersten bitteren Niederlage der jüngeren Vergangenheit in Coburg sehr. Und trotzdem war die Reaktion nach dem Schlusspfiff eine ganz andere. Kurzer Enttäuschung über die in Unterzahl im letzten Angriff vergebene Chance zum Ausgleich wich schnell die Erkenntnis, dass diese Leistung an diesem Sommerabend 2015 noch einmal höher als die aus dem Jahr 2013 einzuordnen ist. „Die Umstände waren alles andere als einfach. Das Ergebnis steht heute nicht im Vordergrund, wir hatten den Favoriten am Rande einer Niederlage in eigener Halle, deshalb sind wir heute in meinen Augen der moralische Sieger. Vielleicht haben am Ende ein paar Körner gefehlt, aber unsere Disziplin und geringe Fehlerquote waren herausragend“, so Paul Kaletsch.

Da war trotz einer Abfahrt um 8.30 Uhr in Konstanz eine Ankunft des HSG-Trosses nach über zehnstündiger Anreise erst um 18.40 Uhr in Coburg, weil die HSG zuerst nach einem schlimmen Unfall auf der Autobahn lange im Stau stand und sich dann nach einer Rast auch noch der gebuchte Reisebus nicht mehr bewegte. Bis ein Ersatzbus eintraf, hieß es lange ausharren und bangen. Dazu wartete ein Gegner, der sich nach dem Aufstieg in der 2. Bundesliga auf Anhieb im vorderen Bereich des Bundesliga-Unterhauses etabliert und noch einmal hochkarätig verstärkt hat und nun ganz offensiv den Bundesliga-Aufstieg anvisiert. Dem gegenüber stand ein Konstanzer Team mit einem Durchschnittsalter von nur 21,8 Jahren, das auf ihre wichtigen Stützen Kai Mittendorf und Simon Flockerzie sowie Fabian Maier-Hasselmann verzichten und bis zum Spieltag um den Einsatz von Junioren-Nationaltorwart Konstantin Poltrum bangen musste. Jugend-Nationaltorhüter Stefan Hanemann kam für einen Einsatz nicht in Frage, da er mit Wetzlar nach einem 43:18 (20:9)-Kantersieg um 17 Uhr bereits das Finale am Sonntag erreicht und dabei eine ordentliche Figur abgegeben hatte.

„Entweder es wird heute richtig eindeutig gegen uns laufen, oder es wird ein ganz besonderes Match“, hatte HSG-Cheftrainer Daniel Eblen aufgrund der ungünstigen Vorzeichen vor dem Spiel orakelt. Zweiteres traf zu. Es war beeindruckend, wie Konstanz mit der schwierigen Anreise und den widrigen Umständen umging. Als nach rund zehnminütiger Verspätung der Anpfiff um 19.40 Uhr erfolgte, schrieb Konstantin Poltrum eine dieser besonderen Geschichten, die die Partie zu bieten hatte. Bis zuletzt war sein Einsatz aufgrund einer vermuteten Rippenfraktur unsicher, doch nachdem die Rippe nicht gebrochen, stattdessen wieder eingerenkt war und die Schmerzen nachgelassen hatten, konnte er doch noch eingesetzt werden. Der erste wichtige Mosaikstein für eine grandiose Konstanzer Leistung, denn einhelliger Tenor in der Halle war der, dass Poltrum der Matchwinner der Partie war. Mit einer spektakulären Parade nach der anderen und einem gehaltenen Siebenmeter trieb er die hochkarätig besetzte Offensive der Coburger zusammen mit einer hervorragend arbeitenden HSG-Deckungsreihe reihenweise zur Verzweiflung.

Die nur rund 600 Zuschauer, eine für Coburger Verhältnisse enttäuschende Kulisse, rieben sich verwundert die Augen, als Konstanz nicht nur das erste Tor des Spiels erzielte, sondern nach knapp 14 Minuten und aufopferungsvollem Kampf immer noch 6:5 in Führung lag. Und die Verwunderung sollte noch größer werden, denn nach 21 Minuten machte sich die kleine aber lautstarke HSG-Fangruppe bemerkbar und feierte ihr Team für eine auf vier Tore angewachsene Führung: 9:5. Unfassbar – dachte sich auch HSC-Trainer Jan Gorr und zog die Notbremse. In der Auszeit schien er seine Spieler endgültig geweckt zu haben, denn von nun an bekam Konstanz jene Wucht und jenes Tempo zu spüren, dass Coburg nach beachtlichen Ergebnissen in der Vorbereitung zu einem Meiterschaftsfavoriten machen. Die Franken kamen nun richtig ins Laufen und schienen die Partie schnell in jene Bahnen lenken zu können, die alle erwartet hatten. Sekunden vor der Pause versenkte der insgesamt achtmal erfolgreiche Florian Billek den Ball zum 12:10-Halbzeitstand im Konstanzer Tor.

„Mit so einem tollen Auftritt auf Augenhöhe war nicht rechnen. Wir haben eine super Abwehr hingestellt, Konstantin hat sehr gut gehalten und vorne haben wir geduldig gespielt“, zeigte sich Daniel Eblen beeindruckt von der Leistung seiner Schützlinge, auch wenn angesichts der letzten Minuten des ersten Durchgangs ein Einbruch seines Teams zu befürchten schien. Doch dem war nicht so, im Gegenteil. Nach 42 Minuten lag Konstanz sogar wieder mit 16:15 in Führung. Selbst neun Minuten vor Schluss konnte sich Manuel Both nach bemerkenswerter Partie gegen die Zwei-Meter-Kolosse in der Coburger Abwehr zum zweiten Mal durchsetzen und glich zum 20:20 aus. „Die waren alle einen Kopf größer, aber ich habe versucht, mit viel Bewegung Lücken und Raum zu schaffen. Wir waren mental und physisch voll auf dem Platz, haben als Team zusammengehalten und die Klasse, mitzuhalten, wenn wir beißen“, sagte der erst 19-jährige Kreisläufer. Als es fünf Minuten vor dem Ende immer noch Unentschieden stand (23:23), sah sich der Hallensprecher genötigt, folgendes zu verkünden: Sollte es nach 60 Minuten immer noch keinen Sieger geben, wird dieser in einer zweimal fünfminütigen Verlängerung und eventuellem Siebenmeterwerfen ermittelt.

Was die HSG Konstanz schließlich davon trennte, waren nur Zentimeter. Einige Pfostentreffer verhinderten die erneute Gästeführung, bis Coburg zweieinhalb Minuten vor dem Abpfiff den 25. Treffer erzielen konnte. Kurz darauf erhielt Mathias Riedel eine Zeitstrafe und Konstanz musste die Begegnung in Unterzahl beenden. Und trotzdem wurde es richtig dramatisch, da Coburg nur ein irreguläres Tor erzielen konnte, das keine Anerkennung durch die Schiedsrichter fand. 25:24 und noch vierzig Sekunden Spielzeit. Daniel Eblen zückte sofort die Grüne Karte, um den letzten Angriff seiner Mannschaft zu besprechen. Dann die Entscheidung: Matthias Stocker versucht Fabian Schlaich mit einem Kempa-Trick zu bedienen, aber der Versuch scheitert knapp, weil dem Pass einige Zentimeter an Höhe fehlen und er abgefangen wird. „Bitter, dass wir uns nicht zumindest mit der Verlängerung belohnen konnten“, trauerte Michael Oehler der verpassten Gelegenheit etwas nach, „das wäre der verdiente Lohn für unsere tolle Leistung gewesen.“

Daniel Eblen war dennoch hochzufrieden: „Es war wichtig, dass wir wenige Gegenstöße zugelassen haben und es stattdessen geschafft haben, selbst einige Tempogegenstöße erfolgreich abzuschließen. Es hat dann sicher auch geholfen, dass wir wieder in Führung gegangen sind. Am Schluss war es in Unterzahl natürlich schwierig, noch einmal zurückzukommen. Ich freue mich über unser tolles Spiel, die wird auch durch die knappe Niederlage nicht getrübt, denn wir haben heute auf allen Positionen überzeugt. Wir können nach dieser Leistung viel Selbstvertrauen mitnehmen, denn man hat gesehen, dass es – wenn wir wenige Fehler machen – sehr schwierig ist, Tore gegen uns zu erzielen.“ Gefreut habe ihn auch der Tempogewinn im eigenen Spiel, während er im Hinblick auf die kommende Saison betonte: „Das war sicher ein gutes Spiel von uns, wir wissen aber, dass auch wieder schlechte kommen werden. Wir müssen zusehen, dass wir einfach weiter zusammenwachsen.“

Eine lange Verschnaufpause nach der Rückreise mit dem während des Spiels reparierten ursprünglichen Mannschaftsbus hat die HSG Konstanz nach diesem tollen Auftritt im DHB-Pokal indes auch in dieser Woche nicht. Schon am Mittwoch reist die HSG zum Schweizer Zweitligisten SG Yellow/Pfadi Winterthur, dem Reserveteam des Schweizer Pokalsiegers Pfadi Winterthur, in die Euachhalle zum nächsten Testspiel um 19 Uhr.

HSG Konstanz: Maximilian Wolf, Konstantin Poltrum (Tor); Luis Weber (1), Fabian Schlaich (4), Benjamin Schweda, Tim Jud (1), Mathias Riedel (4), Marius Oßwald, Matthias Stocker (4), Michael Oehler (1), Lukas Beck, Paul Kaletsch (6/3), Alexander Lauber (1), Manuel Both (2).

Zuschauer: 600.