Lübecker Patient fast wieder wohl auf
Lübecker Patient fast wieder wohl auf
Hinter Christian Görs liegen arbeitsreiche Monate. Nachdem sich der sportliche Abstieg aus der 2. Bundesliga der Raubmöwen bereits im Januar abzeichnete beziehungsweise schon mehr oder weniger Gewissheit war, zogen düstere Wolken über der Trave auf. Teammanager Frank Barthel hatte seinen Rückzug angekündigt, das Team bröckelte auseinander und finanziell war die Zukunft ebenfalls mehr als ungewiss. Ob der Lübecker Klub in der 3. Liga an den Start würde gehen können, hing am seidenen Faden. „Es gab Unzufriedenheit und Unruhe. Letztlich kam es einfach zum Auseinanderbrechen des Teams aus der Saison 2014/15“, erinnert sich der neue Teammanager Görs.
Doch spätestens mit Datum des 7. Aprils sind die größten Sorgen erst einmal beiseite gewischt und der Blick wandte sich in Richtung Zukunft, die zwar hart werden wird, aber in der die nachhaltige Etablierung in der dritten Liga gelingen soll. Was war an diesem ominösen neunten Tag im Mai geschehen? „Unser Projekt, die Kooperation mit dem VfL Bad Schwartau, die schon mehrmals in den Jahren zuvor zwischen den Verantwortlichen beider Vereine besprochen und anvisiert worden war, wurde Realität“, erklärt Görs, der erst im Mai gemeinsam mit weiteren Mitstreitern das Ruder bei den Norddeutschen in die Hand genommen hatte. Gemeinsam mit dem Bad Schwartauer Team, das in der JBLH an den Start gehen wird, soll eine schlagkräftige Truppe geformt werden, hauptsächlich aus den mit einem Zweitspielrecht ausgestatteten heimischen Talenten. „Wir wollen den jungen Frauen, die am Scheideweg zwischen A-Junioren und Frauenhandball stehen, die Möglichkeit geben, in der Region auf hohem Niveau Handball zu spielen“, äußerte Görs unlängst auf einer Sponsorenveranstaltung.
Ergänzt und verstärkt soll der Kader durch die ein oder andere gestandene und ambitionierte Spielerin werden. So wie Mirlinda Hani und Laura Neu, die vom Klassenkonkurrenten SV Henstedt-Ulzburg zu den Raubmöwen wechseln. Obwohl sowohl Neu (23) als auch Hani (25) altersmäßig noch nicht zum Schlag der „Haudegen“ zu zählen sind, verfügen beide über bereits jahrelange Drittligaerfahrung. Erstgenannte lief 2013 per Zweitspielrecht für den damaligen Zweitligisten TSV Nord Harrislee auf, der sich – wie einige weitere Vereine aus der Region auch - zur kommenden Saison ebenfalls um Neu bemüht hatte. „Wir sind trotz des Altersunterschiedes sehr gut von der jungen Mannschaft aufgenommen worden“, berichtete Hani, die sich „so ein bisschen wie die Oma der Kompanie fühlt“, wie sie scherzhaft ergänzt.
„Die Qualifikation für die höchste deutsche Jugendspielklasse war für das Konstrukt natürlich ein enormer Schritt“, weiß Görs. Und in diesem Konstrukt kommen den Raubmöwen-Coaches Olaf Schimpf und Thomas Hartstock die Funktion einer wichtigen Korsettstange zu. Sie trainieren beide Teams in Personalunion. „Olaf hat im Norden ein unglaubliches Netzwerk, kennt den Spielerinnenmarkt wie kein Zweiter“, freut sich Görs über einen Mann an seiner Seite, der das Ohr ganz dicht an der Szene hat und mit seinen Kontakten vielleicht den einen oder anderen Neuzugang an die Trave lotsen kann.
Doch neben der sportlich kleinen Baustelle Kaderplanung beackern die Verantwortlichen noch eine weitere, weitaus größere. „Wir müssen vor allem wieder bei der heimischen Wirtschaft um Vertrauen für unser Projekt werben“, weiß Görs, der mit unermüdlichem Einsatz in Lübeck und Umgebung Klinken putzen muss. Ein erster Erfolg hat sich bereits eingestellt. Die Lübecker Sparkasse unterstützt die Lübecker Handballerinnen weiter. Ein erster Schritt, aber Görs ist optimistisch: „Wir spüren, dass wir wieder positiver wahrgenommen werden. Auch bei potentiellen Neuzugängen, die sich bei uns melden und sich für uns interessieren. Spruchreif ist in dieser Angelegenheit aber noch nichts.“
Sportlich jedenfalls, und das ist eindeutig spruchreif, wollen sich die Raubmöwen erst einmal den Ligaverbleib erbeuten. „Wir orientieren uns an den Aufsteigern. Wir haben einige harte Nüsse zu knacken“, heißt es von den Klub-Verantwortlichen zu den sportlichen Perspektiven. Kurzfristig sollen auch die Zuschauer die kleine, aber stimmungsvolle Senator-Emil-Possehl-Halle zu einem schwer einzunehmenden Raubmöwennest machen. „Wenn anständiger Sport mit Herz und Leidenschaft geboten wird, das Team vom Publikum angenommen wird, kann da etwas Großes entstehen.“
Die ersten, teils wackeligen Schritte unternahm der beinahe am Abgrund stehende Patient bereits eigenständig, die nächsten sollen nun kräftiger und energischer werden. Mittelfristig soll es danach wieder Schritt für Schritt nach oben gehen. Mit einem langen Atem.