a4bcfe42c36cbf9.jpg

HSG Konstanz stand in Coburg kurz vor Sensation

15.09.2013
15.09.2013 · 3. Liga, Männer 3. Liga, Staffel Süd · Von: PM

HSG Konstanz stand in Coburg kurz vor Sensation

Handball kann so viel Spaß machen - und doch gleichzeitig so grausam sein. Es gibt Tage, da kann einen Spieler, der 60 Minuten alles gegeben hat, zusammen mit seinem Team eine geniale Performance abgeliefert hat, nichts mehr aufheitern. Die HSG Konstanz erwischte solch einen Tag beim Topfavoriten der Liga. In der mit 2251 Zuschauern gefüllten Coburger Arena mussten die Konstanzer nach einem tollen Fight und einer zwischenzeitlichen 19:23-Führung in der 53. Spielminute letztlich mit hängenden Köpfen, ohne Punkte und einer Last-Second-24:25-Niederlage das Parkett verlassen. 

Eine Gefühlsachterbahn für die Konstanzer, in der die Fans und der Kontrahent nur das Falsche sagen können. „Das war so hart heute, so habe ich noch nie verloren“, rang ein enttäuschter Sebastian Groh um Fassung. Das Lob der Einheimischen Fans, eine tolle Partie gemacht zu haben und das Lob des HSC-Trainers Jan Gorr, der als Co-Trainer auch die deutsche Nationalmannschaft betreut, erschienen wertlos. „So verrückt kann man gar nicht verlieren, das geht doch eigentlich nur auf der Playstation…“, fand auch Yannick Schatz kaum Worte. Eine Mischung aus Enttäuschung, Wut, Trauer und Fassungslosigkeit machte sich breit. Auf der anderen Seite grenzenloser Jubel, Erleichterung, Freude pur. „Die HSG Konstanz war die erste Mannschaft, die uns gezwungen hat, aus unserer 6:0-Abwehr herauszugehen und etwas anderes zu machen“, meinte Jan Gorr nach einer dramatisch verlaufenen Begegnung und versuchte sein Gegenüber Daniel Eblen zu trösten: „Konstanz hat viel Qualität, das hat man heute gesehen, so wie ich es schon im Vorfeld gesagt habe“. 

Doch es gelang nicht. Zu dicht war Daniel Eblen mit seinem jungen Team auch ohne die verletzten Matthias Faißt und Simon Flockerzie an der Sensation, zu gut hatte sein Team gespielt, als das der Schock der Niederlage so schnell zu verdauen gewesen wäre. Da war zunächst eine Anfangsphase in der über 15 Millionen Euro teuren bundesligatauglichen Arena, in der die HSG ihre Qualität von Anfang an unter Beweis stellen konnte. Völlig unbeeindruckt von der Kulisse und den besonderen Umständen sorgte Stefan Bruderhofer gleich für die 0:1-Führung. Keine Spur mehr von Nervosität oder Unsicherheit im HSG-Spiel. Patrick Glatt parierte gleich zweimal die ersten Angriffe des HSC und der an diesem Tag groß aufspielende und immer wieder für ein Raunen auf der Tribüne sorgende Mathias Riedel setzte den zweiten Treffer für die HSG aus mehr als zehn Metern in den Winkel. Nicht die HSG war es, sondern der Gastgeber schien durchaus beeindruckt. „Ich war schon etwas überrascht über unser eigenes Spiel, dass auch und gerade die jungen Neuzugänge schon so abgeklärt gespielt haben und wir alle auf den Punkt unsere Leistung abrufen konnten“, meinte Daniel Eblen. So musste Coburg gegen die aggressive und hervorragend stehende 6:0-Abwehr der Konstanzer viel für seine Tore arbeiten und konnte den drohenden Pfiff wegen passiven Spiels einige Male nur knapp verhindern. Nach neun Minuten kam der HSC besser in die Partie und konnte nach einem Innenpfostentreffer von Mathias Riedel per Gegenstoß zum 4:4 ausgleichen. Nun wachte die Halle auf, doch auch davon zeigte sich Yannick Schatz unbeeindruckt und versenkte einen Siebenmeter durch die Hosenträger des HSC-Schlussmanns Oliver Krechel zur erneuten Führung.

Es entwickelte sich eine Begegnung auf Augenhöhe, in der die HSG zunächst sogar optisch überlegen schien. Nachdem Mathias Riedel erneut nur den Pfosten traf, konnte Coburg erstmals beim 6:5 durch einen Gegenstoß nach einem Ballverlust in Führung gehen. Nun zeigte sich, dass jeder Fehler der Gäste schnell und eiskalt bestraft werden würde. Zudem stellte sich die HSC-Abwehr besser auf die HSG-Offensive ein und verlangte den Konstanzern nun ihrerseits viel Arbeit für einen Torerfolg ab. Geduldig, routiniert und mit viel Übersicht spielte Coburg seine Angriffe nun aus - mit Erfolg, sodass die HSG beim 11:7 erstmals drohte etwas den Anschluss zu verlieren. Die Gäste ließen sich jedoch nicht abschütteln und schlugen in toller Manier zurück: Erst besorgte der trickreich und immer überraschend agierende Yannick Schatz mit einem Hüftwurf den 14:15-Anschluss, dann fing die HSG den nächsten Coburger Angriff nach deren Auszeit ab. Nach eigener Auszeit 19 Sekunden vor der Halbzeit konnten die Konstanzer mit der Pausensirene gar den Ausgleich zum 15:15 durch Sebastian Groh vom Kreis herstellen.

Mit einer zwischenzeitlich irren Trefferquote von 82 Prozent gelang nach der Pause auch schon fast eine Vorentscheidung und die Sensation war zum Greifen nahe. Als Simon Geßler trotz drohenden Zeitspiels mit viel Geschwindigkeit durch die HSC-Abwehr durchbrach und zum 19:23 abschloss, schien die HSG Konstanz auf der Siegerstraße. Nur noch sieben Minuten waren zu spielen. Ein völlig unerwarteter Auswärtssieg schien nun Gestalt anzunehmen. „Es war eine tolle Leistung, wir können stolz sein. Auch wenn es am Ende umso bitterer war…“, beschreibt Simon Österle das, was noch kommen sollte.

Nun war der HSC Coburg am Drücker und versuchte mit Unterstützung seiner Zuschauer mit aller Macht die Partie doch noch zu drehen. Begünstigt durch einen verworfenen Siebenmeter (54.) von Yannick Schatz gelang es den Coburgern in ihrem Hexenkessel schnell auf 21:23 zu verkürzen. Als die HSG auch noch einen weiteren Siebenmeter durch Mathias Riedel nicht verwerten konnte, witterten die Gastgeber ihre Chance. Und sie nutzen sie gnadenlos. Knapp eineinhalb Minuten vor dem Ende konnte Mathias Riedel mit seinem siebten Tor noch einmal für eine 23:24-Gästeführung sorgen, doch dann kannte der Spielverlauf kein Erbarmen mit den Konstanzern. Dem schnellen Ausgleich durch die Gastgeber folgte eine Auszeit 43 Sekunden vor Abpfiff. Und das Drama nahm seinen Lauf: noch 27 Sekunden, Krechel im HSC-Gehäuse hält, noch drei Sekunden, Sebastian Roth wirft, Mathias Riedel bekommt mit seinem Block nur die Fingerspitzen an den Ball und der abgefälschte Wurf trudelt wenige Zentimeter am auf dem Boden liegenden und sich vergeblich streckenden Patrick Glatt vorbei ins Tor. 25:24, die Schlusssirene ertönt. Jubel auf der einen, Fassungslosigkeit und grenzenlose Enttäuschung auf der anderen Seite. „Glückwusch an Coburg, das war heute ein tolles Handballspiel“, meinte HSG-Trainer Daniel Eblen, „aber wir sind extrem enttäuscht, wir bekommen zwei Mal Stürmerfoul gepfiffen und dann wird uns ein Tor nicht anerkannt, auf der anderen Seite gibt es einen Siebenmeter. Einen Punkt hätten wir verdient gehabt. Diese Leistung müssen wir wieder abrufen.“ Vielleicht schon in der nächsten Heimpartie gegen die SG H2Ku Herrenberg am kommenden Samstag, 21. September, um 20 Uhr in der Schänzlehalle. Bis dahin bleibt der HSG nichts anderes übrig, als sich in Anlehnung an einen alten Spruch damit zu trösten, dass ohne Punkte zwar alles nichts ist, aber Punkte auch nicht alles sind.

HSG Konstanz: Glatt, Folchert; Mittendorf, Groh (5), Österle (1), Hafner (1), Kaletsch, Schlaich, Krüger, Schatz (7/4), Geßler (1), Bruderhofer (2), Riedel (7) 
Zuschauer: 2.251