Handballer der DDR und BRD in München
Historische Briefmarke zu München 1972. - Foto: imago images/Panthermedia
04.09.2022 Verband

Handballer der DDR und BRD in München

Wie sich die deutschen Teams bei den Olympischen Spielen 1972 schlugen - Zeitreise mit Prof. Dr. Detlef Kuhlmann

In diesem Sommer vor genau 50 Jahren fanden die XX. Olympischen Spiele in München statt: Unsere Sportart Handball kehrte 1972 auf die olympische Weltbühne zurück und feierte zugleich eine Premiere – das klingt paradox: Wie das doch richtig ist und passt, wollen wir in einer dreiteiligen Serie beleuchten. Wir rufen damit ein Ereignis in Erinnerung, von dem hüben wie drüben wichtige Impulse für unsere Sport ausgingen, ohne die der Handball in Deutschland, aber auch international nicht das geworden wäre, was er heute ist. Die drei Teile widmen sich insbesondere diesen drei Themen:

Die Serie hat der Sportwissenschaftler und Handball-Experte Prof. Dr. Detlef Kuhlmann (Leibniz Universität Hannover) exklusiv für den DHB verfasst. Die drei Teile erscheinen in loser Folge im olympischen Sommer genau 50 Jahre nach München 1972.

Über das „bescheidene“ Abschneiden zweier deutscher Teams

Wir sind in München angekommen, ganz genau in der dortigen Olympiahalle (Fassungsvermögen damals 12.000) im Olympiapark, besuchen für die Handballspiele aber auch die Städtischen Sporthallen in Augsburg und Böblingen, die Hohenstaufen-Halle in Göppingen und die Donauhalle in Ulm, wo vom 30. August bis zum 10. September 1972 die Spiele stattfinden: 16 Mannschaften (14 aus Europa, dazu Tunesien als Afrikavertreter und die USA für Amerika) in vier Gruppen gehen an den olympischen Re-Start und ermitteln je zwei Gruppenbeste für die Hauptrunde mit wiederum vier Mannschaften in zwei Gruppen, von denen die beiden ersten dann das Finale bestreiten. Bleibt jetzt nur eine spannende Frage offen: Wie war das denn mit dem Abschneiden der beiden deutschen Mannschaften? Wer war damals dabei? Wer erinnert sich noch … 50 Jahre danach?

Um es vorwegzunehmen: Das Ergebnis war eher „bescheiden“, entsprach keineswegs den hohen Erwartungen, mit denen vor allem die westdeutsche Gastgeber-Mannschaft von Bundestrainer Vick (1920-2000) an den Start gegangen war. Das Ziel lautet nämlich, zumindest um eine Medaille mitzuspielen. Daraus wurde nichts: Im Spiel um Platz fünf unterlag sie am Ende der Sowjetunion (UdSSR) mit 16:17, während die DDR-Auswahl mit Trainer Heinz Seiler (1920-2002) das Spiel um Platz drei gegen Rumänien mit 16:19 verlor.

Szene aus dem Spiel des DHB-Teams gegen Rumänien. - Foto: imago-images/Sven Simon

Viele Ältere haben die Spiele und die Spieler von einst noch vor Augen, die für die DDR bzw. Bundesrepublik bei der olympischen Premiere im Hallenhandball dabei waren: Die einen trugen vorzugsweise das weiße Trikot (mit rotem Bruststreifen) mit weißer Hose für den DHB, die anderen waren im ebenfalls vorzugsweise weißen Jersey mit blauer Hose für den Deutschen Handballverband (DHV) der DDR aktiv. Fast alle inzwischen „Alte Herren“ sind bis heute dem Handball irgendwie verbunden. Hier sind die 16er Olympia-Kader mit diesen „klangvollen“ Namen und mit ihren „berühmten“ Vereinen:

Die DHB-Auswahl mit:
Herwig Ahrendsen (Alter heute 74, Verein damals THW Kiel), Hans-Jürgen Bode (81, Hamburger SV, Torwart), Wolfgang Braun (78, Berliner SV 92), Peter Bucher (1947-2019, Frisch Auf Göppingen), Jochen Feldhoff (78, VfL Gummersbach), Diethard Finkelmann (81, Reinickendorfer Füchse Berlin), Josef Karrer (83, TV Großwallstadt), Klaus Kater (74, VfL Gummersbach, Torwart), Klaus Lange (82, Hamburger SV, Kapitän), Herbert Lübking (80, TuS Nettelstedt), Heiner Möller (73, TuS Dortmund-Wellinghofen), Hans-Peter Neuhaus (77, TuS Dortmund-Wellinghofen), Uwe Rathjen (1943-2019, Frisch Auf Göppingen, Torwart), Herbert Rogge (76, TuS Dortmund-Wellinghofen), Herbert Wehnert (75, SG Dietzenbach) und Klaus Westebbe (72, VfL Gummersbach).

Die DHV-Auswahl mit:
Wolfgang Böhme (Alter heute 72, Verein damals SC Empor Rostock), Reiner Frieske (81, ASK Frankfurt Oder, Torwart), Reiner Ganschow (77, SC Empor Rostock), Jürgen Hildebrand (74, SC Dynamo Berlin), Horst Jankhöfer (80, SC Leipzig), Wolfgang Lakenmacher (79, SC Magdeburg), Klaus Langhoff (82, SC Empor Rostock, Kapitän), Peter Larisch (71, SC Leipzig), Peter Randt (81, SC DHfK Leipzig), Udo Röhrig (79, SC Magdeburg), Josef Rose (79, ASK Frankfurt Oder), Siegfried Voigt (71, SC DHfK Leipzig, Torwart), Klaus Weiß (1944-2000, SC Dynamo Berlin, Torwart), Rainer Würdig (75, SC Dynamo Berlin), Rainer Zimmermann (80, SC Dynamo Berlin) und Harry Zörnack (83, SC Leipzig).

Das Handballturnier dauerte gerade sechs Tage, als sich am frühen Morgen des 5. Septembers im olympischen Dorf das schreckliche Attentat palästinensischer Terroristen ereignete: Elf israelische Sportler und ein deutscher Polizist kamen bei der missglückten Befreiung ums Leben: „Wir Spieler hatten davon erfahren. Ich habe sogar aus nächster Nähe verfolgt, wie der Bus mit den Geiseln das Gelände verließ und dabei völlig unterschätzt, in welches Risiko ich mich dadurch begeben hatte. Das hätte auch schiefgehen können“, erinnert sich Herbert Lübking und lässt nicht unerwähnt, dass es während der Spiele kaum persönliche („inoffizielle“) Begegnungen zwischen den Spielern des DHB und des DHV gab: „Es wurde darauf geachtet, dass wir getrennt blieben“. Der Spielplan führte beide Teams ohnehin nicht („offiziell“) zusammen.

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann

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