Olympia 1976: BRD-Männer mit Platz 4, Silber für die DDR-Frauen
Die Männer-Nationalmannschaft der BRD. - Foto: Sportfoto Rudel
05.06.2021 Verband

Olympia 1976: BRD-Männer mit Platz 4, Silber für die DDR-Frauen

Zweiter Teil der Olympia-Serie auf dhb.de / Premiere bei den Spielen in Montreal

Vier Jahre, nachdem die Männer unter die fünf Olympischen Ringe zurückgekehrt waren, gab es erstmals auch ein Olympisches Handballturnier für die Frauen. Während bei den Männern elf Mannschaften antraten – die ungerade Zahl resultierte aus dem Boykott afrikanischer Staaten (unter anderem Tunesien) – gab es beim ersten Frauenturnier nur sechs Mannschaften. Die Männer spielten ihre Olympiasieger wieder in Hauptrunde und Finalspielen aus, die Frauen starteten ihre Olympiamission in einer Runde „jeder gegen jeden“. Montreal bedeutete auch den totalen Triumpf der Sowjetunion – denn die UdSSR sicherte sich beide Goldmedaillen bei Männern und Frauen, die DDR-Frauen gewinnen Silber.

Aus deutscher Sicht war die Olympiaqualifikation eher der Höhepunkt, als das Turnier selbst - denn die Auslosung sorgte bei den Männern für ein Duell DDR gegen BRD, ein wahres Psychospiel in zwei Akten in München und Karl-Marx-Stadt (Chemnitz). „Das war Krieg“, sagte BRD-Trainer Vlado Stenzel in der NDR-Dokumentation „Kalter Krieg“. Favorit war die DDR, Stenzel baute gerade erst eine neue Mannschaft auf. „Das waren alles Spieler, die wir gar nicht auf dem Zettel hatten“, erinnerte sich der damalige DDR-Torhüter Wieland Schmidt: „Aber Stenzel hatte denen ein Selbstbewusstsein eingeimpft - das war Wahnsinn! Die haben alle daran geglaubt, gegen uns weiterzukommen. Das hat man gemerkt.“

Im Hinspiel in München überraschte Stenzel die Gäste mit einem Nadelfilzboden, auf dem die DDR noch nie gespielt, die BRD aber die gesamte Vorbereitung bestritten hatte. Zweiter Trick des Jugoslawen: Torwart Manfred Hofmann trug das erste knallgelbe Trikot der Handballgeschichte - ein perfekter Schachzug, Hofmann zog die Bälle magisch an. Nach dem sensationellen 17:14-Sieg trugen die DHB-Spieler um Kurt Klühspieß, der neunfache Torschütze Joachim Deckarm und Heiner Brand Trainer Stenzel auf ihren Schultern durch die Halle.

Vor dem Rückspiel simulierte Stenzel in zwei Testspielen das gnadenlose Pfeifkonzert, das sein Team in Karl-Marx-Stadt erwarten würde, zudem hatte er die Schiedsrichter instruiert, gegen sein Team zu pfeifen. Doch alles lief auf einen DDR-Kantersieg hinaus: der überragende Rainer Ganschow führte die Gastgeber zu einer 7:2-Pausenführung, aber dann: die BRD kämpfte sich heran. Mit dem Schlusspfiff steht es 11:8 für die Gastgeber - und Siebenmeter für die DDR. Trifft Hans Engel, fliegt die DDR nach Montreal, hält Hofmann, ist es die BRD. Hofmanns linkes Knie schockt die DDR, die BRD feiert und erreicht dann erstmals in der Halle ein Medaillenspiel - wurde aber am Ende unglücklicher Vierter.

In der deutsche Gruppe gab es eine Zentimeter-Entscheidung um den Einzug ins Olympische Finale, denn die UdSSR, die BRD und der 1972-er Olympiasieger Jugoslawien lagen mit jeweils 8:2 Punkten an der Spitze, die Sowjets hatten allerdings die klar beste Tordifferenz. Das deutsche Team schlugt Olympiasieger Jugoslawien sowie Kanada, Japan und Dänemark, verliert nur gegen die Sowjets.

In der zweiten Gruppen ging es weniger spannend zu: Rumänien sicherte sich den ersten Rang ungeschlagen, lag am Ende aber auch nur einen Zähler vor Polen, die sich dann nach hartem Kampf und erst nach Verlängerung durch das 21:18 (11:9, 17:17) über die Bundesrepublik Deutschland die Bronzemedaille sicherten. Im polnischen Team stand unter anderem der mehrfache Bundesliga-Torschützenkönig Jerzy Klempel. Bester deutscher Werfer wurde Joachim Deckarm mit 28/8 Toren in sechs Spielen.

Im Finale der beiden Handball-Großmächte setzte sich die UdSSR mit 19:15 (10:6) gegen den mehrfachen Weltmeister Rumänien durch. In der Olympiasieger-Mannschaft von Trainerlegende Anatoli Yewtuschenko standen zahlreiche Stars, die es später zu Weltruhm brachten, wie Alexander Anpilogov und Jury Klimov – sowie ein Spieler, der später das Kunststück fertig brachte, als Trainer Weltmeister, Europameister und als Erster überhaupt auch Olympiasieger zu werden: Vladimir Maximov, der bis Januar 2012 noch Trainer der russischen Nationalmannschaft war.

Abschlussklassement Männer:

Gold: Sowjetunion, Silber: Rumänien, Bronze: Polen, 4. BRD - 5. Jugoslawien - 6. Ungarn - 7. Tschechoslowakei – 8. Dänemark - 9. Japan - 10. USA - 11. Kanada

Der deutsche Kader: Gerd Becker, Günter Böttcher, Heiner Brand, Bernhard Busch, Joachim Deckarm, Arno Ehret, Jürgen Hahn, Manfred Hofmann, Peter Jaschke, Peter Kleibrink, Kurt Klühspies, Rudi Rauer, Horst Spengler, Walter von Oepen; Trainer Vlado Stenzel

Ergebnisse BRD - Vorrunde: 18:14 (7:5) gegen Dänemark, 19:16 (11:5) gegen Japan, 26:11 (14:7) gegen Kanada, 16:18 (5:9) gegen die Sowjetunion, 18:17 (8:7) gegen Jugoslawien - Spiel um Platz 3: 18:21 (11:9, 17:17) gegen Polen

Noch souveräner als ihre männlichen Kollegen sicherten sich die Sowjetinnen Gold: Denn sie gewannen alle ihre fünf Partien und standen schon vor dem letzten Spieltag als Olympiasieger fest. Das knappste Resultat war das 14:11 gegen den späteren Silbermedaillengewinner DDR - trainiert von Peter Kretzschmar und mit Waltraud Kretzschmar als Spielerin, den Eltern von Stefan Kretzschmar. Die DDR war als Weltmeister angetreten, war aber chancenlos in der Partie gegen die Sowjets um ein anderes Ehepaar: Trainer Igor Turtschin war der Mann von Zinaida Turtschina, der damals besten Spielerin der Welt. Auch die Bronzemedaille ging in den Ostblock: Ungarn wurde Dritter, punktgleich mit der DDR, die beim 7:7 gegen Ungarn ihr einziges Remis feierte und am Ende die bessere Tordifferenz aufwies.

Abschlussklassement Frauen:

Gold: Sowjetunion, Silber: DDR, Bronze: Ungarn, 4. Rumänien, 5. Japan, 6. Kanada

Der deutsche Kader: Hannelore Burosch, Gabriele Badorek, Eva Paskuy, Christina Voß, Hannelore Zober, Petra Uhlig, Waltraud Kretzschmar, Christina Rost, Roswitha Krause, Evelyn Matz, Kristina Richter, Marion Tietz, Liane Michaelis, Silvia Siefert; Trainer: Peter Kretzschmar

Ergebnisse DDR: 18:12 (11:3) gegen Rumänien, 24:10 (12:3) gegen Japan, 29:4 (15:12) gegen Kanada, 7:7 (2:4) gegen Ungarn, 11:14 (5:7) gegen die Sowjetunion

(BP)