Seit 100 Jahren Deutsche Meisterschaften im Handball
Deutscher Meister bei den Frauen 1921: Oldenburg. Foto: über Nele Tiedgen
13.09.2021 Verband

Seit 100 Jahren Deutsche Meisterschaften im Handball

Die ersten Titelträger 1921 kommen aus Berlin und Oldenburg

Vor 100 Jahren fanden in Deutschland die ersten Deutschen Meisterschaften im Handball der Frauen und Männer statt. Wer erinnert sich noch? Wohl kaum jemand so richtig, denn: Bis vor wenigen Monaten waren keine Details von diesen ersten Titelkämpfen hierzulande in der Fachöffentlichkeit bekannt. Erst eine gezielte Recherche beim Niedersächsischen Institut für Sportgeschichte in Hannover (NISH) beförderte einige interessante „historische“ Informationen zu Tage: 

Die „Meisterschaftskämpfe der Deutschen Turnerschaft“ (so die offizielle Bezeichnung) fanden am Wochenende 17. und 18. September 1921 auf dem Turn- und Sportplatz des Turnklubb zu Hannover (TKH) von 1858 im Ortsteil Kirchrode in Hannover statt, wo der TKH auch heute noch sein Vereinsgelände hat. Die beiden Endspiele der Frauen und Männer im Handball waren neben den Mehrkämpfen im Turnen nur Teil eines umfangreichen Programms mit weiteren Deutschen Meisterschaften in den damals weitaus populäreren Turnspielen wie Schlagball, Faustball sowie Schleuderball (nur für Männer) und Korbball (nur für Frauen) …  

Betrachtet man allein die Endergebnisse der beiden Endspiele im (Feld-) Handball, dann überraschen aus heutiger Sicht nicht nur die niedrigen Torquoten. Es kommt noch etwas „sensationell einmaliges“ hinzu: Beide Spiele endeten mit exakt dem gleichen Ergebnis – nämlich mit 6:1! Bei den Frauen siegte das Team des Oldenburger Turnerbundes gegen den Damen-Turnverein Brühl 1902 Berlin, und bei den Männern gewann der Berliner Turn- und Sportverein (TSV) Spandau von 1862 gegen den TV Vorwärts-Rüstringen – das war von 1911 bis 1937 eine Stadt im Land Oldenburg, die seitdem mit der Stadt Wilhelmshaven vereint ist. Auch den Berliner Damen-Turnverein gibt es heute nicht mehr. 

Im „Turnblatt der Niedersachsen und Friesen“ von Oktober 1921 als wichtigste Quelle ist auch nachzulesen, dass bei den Männern die „größere Spielerfahrung“ den Berlinern zugutekam und „das Ehrentor“ zehn Minuten vor Schluss fiel, während über das Frauenfinale dokumentiert ist: „Nur eine Halbzeit gespielt, da die Berlinerinnen dann das Spiel abbrachen wegen ungewohnter Abmessung des Spielfeldes. Die Oldenburgerinnen waren weit überlegen.“ Allerdings wird das Endergebnis der Männer ein Jahr später im „Jahrbuch der Turnkunst“ in einer Übersicht der „Spielmeisterschaften“ beim „Kampf der Gruppen um die Deutsche Meisterschaft“ kurioserweise mit 5:0 angegeben … Zeitzeugen lassen sich heute nicht mehr befragen. 

Nach welchen Spielregeln genau die ersten Titelkämpfe ausgetragen wurden, auch darüber gibt es leider (bisher) ebenfalls keine authentischen Quellen. Vieles spricht jedoch dafür, dass „Elf gegen Elf“ mit einem deutlich größeren Ball als heute gespielt wurde: „Zum Spielen dient ein möglichst schwerer Faust- oder Fußball“, heißt es in einer Regel-Quelle aus der damaligen Zeit, was auch die niedrige Torquote erklärt. Als Spielfeld diente ein Fußballfeld „im Rechteck von 90 x 60 m“ mit kleineren Toren (5m mal 2,10m) und einem Torkreis von 8m-Entfernung. Und was das „faire“ Verhalten angeht, waren damals schon z.B. das Festhalten und Klammern des Gegners und das gewaltsame Entreißen des Balles verboten. Darüber wachte übrigens ein „Kampfgericht“ mit zwei Schiedsrichtern und zwei Linienrichtern.  

So viel noch zur Historie generell: Das Handballspiel als deutsche Erfindung (zuerst nur für Frauen!) war 1921 erst vier Jahre alt und geht zurück auf eine Initiative des Berliner Oberturnwartes Max Heiser (geb. 1879), der am 29. Oktober 1917 bei einer Verbandssitzung in Berlin das „Torballspiel“ per Beschluss zum Handball umbenennen ließ, allerdings die ersten Deutschen Meisterschaften seiner Erfindung nicht mehr selbst erlebte. Heiser starb bereits im Januar 1921.     

Übrigens: Die „Siegerverkündigung“ bei den Meisterschaften im September 1921 in Hannover fand auf einer gesonderten Abschlussveranstaltung mit Tanzvorführungen und musikalischer Untermalung (Orgel und Violine) im Kuppelsaal der Stadthalle statt. Die Organisatoren zogen insgesamt ein positives und durchaus „nachhaltiges“ Fazit: Mögen die Spiele „segensreich weiterwirken, denn Turnen und Spiel ist zum Zwecke der Lebensförderung und Lebensfreude so notwendig wie das tägliche Brot“.  

Hat sich in den zurückliegenden 100 Jahren daran etwas grundsätzlich geändert? Die Deutschen Meisterschaften gingen fortan in Serie – mehr noch: Ein Jahr später gab es schon zwei Deutsche Meisterschaften parallel, die der Deutschen Turnerschaft und die der Deutschen Sportbehörde für Leichtathletik. Und in diesen Tagen beginnen bei den Frauen und Männern bereits die (Bundesliga-) Spiele um die Deutschen Meistertitel der Saison 2021/2022 … genau hundert Jahre nach der Premiere! 

(Prof. Dr. Detlef Kuhlmann)

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