Aufholjagd der HSG Konstanz gegen Balingen wird nicht belohnt
Aufholjagd der HSG Konstanz gegen Balingen wird nicht belohnt
Nach einer völlig verunglückten ersten Halbzeit, die mit einer Sieben-Tore-Hypothek für die HSG Konstanz endete, begann die HSG Konstanz mit der lautstarken Unterstützung von 650 Zuschauern in der Schänzle-Sporthalle im zweiten Durchgang die große Aufholjagd. Bis auf ein Tor (24:25, 50.) kam Konstanz an den Bundesliga-Nachwuchs aus Balingen-Weilstetten heran – am Ende stand die HSG Konstanz jedoch erneut ohne Punkte da und musste sich dem HBW Balingen-Weilstetten II mit 31:33 (14:21) geschlagen geben.
Zwei Gesichter, die nicht unterschiedlicher hätten sein können, präsentierte die HSG Konstanz ihren zahlreichen Anhängern im ersten Heimspiel der neuen Saison am heimischen Schänzle. Das eine, das die Besucher staunend zurückließ und vielen die Sprache verschlagen hatte – allerdings nicht, weil die HSG ihre Anhänger verzückt hatte. Vielmehr hatten die ersten dreißig Minuten der Partie gegen sehr variabel agierende „Jung-Gallier“ von der Alb sprachlos gemacht. 21 Gegentore für ihr Team, das seit Jahren mit die beste Defensive der dritten Liga stellt, hatten sie schon lange nicht mehr gesehen. 21 Gegentore in dreißig Minuten – das hatte es – zumal in eigener Halle – schon lange nicht mehr gegeben. Die HSG Konstanz war kaum wiederzuerkennen, hatten doch nicht nur in der vergangenen Saison die Gegner in der „Schänzle-Hölle“ am Seerhein reihenweise ihr Waterloo erlebt und oft nicht mehr als 18 bis 20 Tore erzielen können – und das in 60 Minuten. Balingen nutzte die offensichtlichen Schwächen in der Konstanzer Defensive durch variables, schnelles und bewegliches Spiel gnadenlos aus. Das junge Team von Eckard Nothdurft konnte sich aber auch nicht zuletzt darauf verlassen, dass sich seine Außenspieler Gregor Thomann und Patrick Weber in überragender Form präsentierten und alleine für 20 Tore verantwortlich zeichneten. Gerade der bundesligaerfahrene Thomann war es, der mit seinen insgesamt 13 Treffern, zehn davon aus dem Spiel heraus, der die Konstanzer Abwehr schier in den Wahnsinn trieb und nicht unter Kontrolle zu bekommen war. Nervenstark und mit einem gefühlvollen Händchen ausgestattet traf er aus fast jedem Winkel. „Das war schon Wahnsinn, selbst aus dem Nullwinkel hat er die Bälle eiskalt versenkt“, meinte ein geknickter HSG-Cheftrainer Daniel Eblen.
Gedanken- und handlungsschneller sorgte der Bundesliganachwuchs des HBW nach ausgeglichenem Beginn und zunächst gutem Start der HSG Konstanz nach dem 6:5 für Konstanz – der ersten Führung für die HSG – langsam das Tempo an und deckte die Schwachstellen in der Konstanzer Hintermannschaft erbarmungslos auf, die überhaupt keinen Zugriff mehr auf das Spiel und ihre Gegenspieler bekam. 7:5 (11.) und 8:6 nach 13 Minuten – dann war es vorbei mit dem guten Auftakt für die Heimmannschaft. Sieben Minuten gelang Konstanz kein eigenes Tor mehr und der HBW war auf 14:8 (20.) enteilt. Selbst eine Auszeit konnte die Jung-Gallier nicht stoppen. Spätestens jetzt rieben sich viele der 650 Zuschauer verwundert die Augen und die famose Stimmung nach dem tollen Event-Programm um das Spiel mit neuer Einlaufshow und neuem Image-Video auf der großen Videowall sowie dem Auftritt der neuen HSG-Cheerleader war vorerst verpufft.
„Die erste Halbzeit war so wie in Fürstenfeldbruck, wir sind total zusammengebrochen und haben weder in der Abwehr, noch im Angriff, zu unserem Spiel gefunden. Leider hatten wir auch niemanden, der in solch einer prekären Situation für den Umschwung gesorgt hätte. In der Halbzeit haben wir dennoch gewusst, dass wir es noch umbiegen können – wenn wir das spielen, was wir können“, hatte Daniel Eblen trotz der Horror-Halbzeit, die erst beim 14:21 ein Ende für die Konstanzer nahm, noch Hoffnung für die zweite Hälfte. Zu Recht, wie sich sehr schnell zeigen sollte. Sehr früh zurück auf dem Spielfeld war dem Eblen-Team nun der unbedingte Wille deutlich anzumerken. Kapituliert hatte die HSG noch lange nicht. „Wir haben uns nie aufgegeben, das macht uns aus. Wir hatten endlich unsere Erfolgserlebnisse und haben die nötigen Emotionen in das Spiel bekommen, da muss man auch dem Publikum wieder einmal ein Kompliment aussprechen, die Unterstützung war wieder mega“, beschrieb der sechsmal erfolgreiche Stefan Bruderhofer den Auftakt in die große Aufholjagd seiner Mannschaft.
Er selbst hatte ebenso wie Matthias Stocker, der viel Schwung, Ideen und das nötige Überraschungsmoment in das zuvor lahmende und fehlerbehaftete Offensivspiel brachte, großen Anteil daran, dass die HSG nun immer näher an Balingen herankam. Da war es, das andere Gesicht der HSG Konstanz. Das, das die Fans so lieben und von ihrer Mannschaft auch gewohnt sind. Mit vollem Einsatz und purem Willen ließ Konstanz den Vorsprung der Gäste von der Schwäbischen Alb sukzessive schmelzen. Die 6:0-Abwehr stand wieder sehr sicher und erlaubte dem körperlich unterlegenen Bundesliga-Nachwuchs mit kompromissloser und einem nun grandios auftrumpfenden Max Folchert im HSG-Tor, der die dennoch auf sein Tor kommenden Balinger Abschlüsse nun reihenweise entschärfte, ein großartiges Comeback. 20:23 nach 42 Minuten, die Halle stand Kopf. Angetrieben von den enthusiastischen HSG-Fans fand Konstanz nun gar gegen die 3:2:1-Abwehr des HBW immer wieder das richtige Rezept und die Lücke zum Tor. Als dann nach 49 Minuten der 24:25-Anschlusstreffer für Konstanz fiel, schien endgültig alles möglich – auch eine erneute große Aufholjagd mit Happy End.
Nicht so jedoch an diesem Abend. Zwar hatte Konstanz beim Stand von 27:29 sechseinhalb Minuten vor dem Abpfiff noch alle Chancen auf den ersten Sieg der Saison. Durch ein Offensivfoul und doch wieder aufkommende Hektik, die zu falschen Entscheidungen wie Passfehlern und Würfen in den HBW-Abwehrblock führte, geriet die HSG zunehmend unter Druck – Zeitdruck vor allem. „Die Sieben-Tore-Hypothek war einfach zu groß, weil wir zu viele klare Chancen haben liegen lassen. Eigentlich wollten wir die Optionen wählen, die die höchste Wahrscheinlichkeit für ein Tor garantieren. Passiert ist genau das Gegenteil, mit zu viel Risiko und daraus resultierenden Gegenstößen für den HBW“, so Daniel Eblen, „nach einer guten Vorbereitung kann das momentane Problem nur im mentalen Bereich liegen.“ Schließlich kam auch noch Pech dazu, als Balingen sich einige Male über direkt vor ihre Füße fallende Abpraller freuen durfte, die HSG hingegen mehrmals an Latte und Pfosten des HBW-Kastens scheiterte. Es lief nun alles für Balingen: 27:32 (56.), die Entscheidung. Die HSG konnte nur noch Ergebniskosmetik betreiben und auf 31:33 verkürzen, bevor die bittere Heimniederlage trotz aufopferungsvollen Kampfes endgültig feststand.
"Der Frust nach so einer Niederlage ist richtig groß, wir hatten uns viel vorgenommen, haben es dann aber in der ersten Halbzeit nicht auf die Platte bekommen. Vor allem die Abwehr war überhaupt nicht gut, da haben wir immer wieder einen individuellen Fehler begangen und Balingen war eben richtig gut. Die zweite Hälfte war viel besser, da konnten wir zeigen, dass wir es besser können. Nur: Wenn Du in der sehr starken und ausgeglichenen 3. Liga nicht 100 Prozent abrufen kannst, schaffst Du es nicht. Wir müssen uns jetzt den Hintern aufreißen und nur auf uns schauen, damit haben wir genug zu tun. Da ist es auch egal, wie der Gegner nächste Woche heißt“, gab Spielmacher Matthias Stocker nach der Partie schon die kämpferische Marschroute für das Derby in Teningen am kommenden Samstag vor und Stefan Bruderhofer fügte entschlossen hinzu: „Wir müssen die erste Halbzeit vergessen und auf der zweiten aufbauen. Gerade die dort gezeigten Emotionen müssen wir mit zur heimstarken SG Köndringen/Teningen nehmen.“ Ähnlich sieht es Daniel Eblen, der darauf hofft, dass sein Team von den besonderen Emotionen im Südbaden-Derby profitieren und die Leistung über 60 Minuten bringen kann und nicht „wieder stellenweise total zusammenbricht.“ Trainer wie Fans hoffen auf das andere Gesicht der HSG. Das aus der zweiten Halbzeit. Das, das allen viel Mut und Zuversicht gegeben und an die phantastische letzte Saison erinnert hat.
HSG Konstanz: Wolf, Folchert (Tor); Kaletsch, Schlaich (4), Groh, Riedel (4), Hafner, Mittendorf, Flockerzie (4), Stocker (6/3), Faißt (5), Muturi, Lauber (2), Bruderhofer (6).
Zuschauer: 650