DHB-Frauenforum in Kassel: Die Workshops unter der Lupe
DHB-Frauenforum in Kassel: Die Workshops unter der Lupe
Am kommenden Wochenende findet in Kassel das DHB-Frauenforum statt. Es ist nicht nur eine Netzwerkveranstaltung, in der die Teilnehmenden neue Kontakte knüpfen können, sondern soll auch eine Initialzündung auf dem Weg zur WM 2017 sein. Insgesamt haben sich 40 Teilnehmer und Teilnehmerinnen angemeldet, neben der deutschen Rekordnationalspielerin Grit Jurack hat auch DHB-Präsident Bernhard Bauer sein Kommen zugesagt (wir berichteten). Wenige Tage vor dem Beginn des Forums sprachen wir mit den Workshop-Leiterinnen Dr. Verena Jung, Maike Koberg, Anja Salzwedel und Doris Birkenbach über Engagement, Herausforderungen und Hoffnungen.
Workshop I: Engagement fördern: Gewinnung engagierter Frauen für den Handball
Was ist aus Ihrer Sicht derzeit der Grund dafür, dass sich zu wenig Frauen im Handball engagieren?
Verena Jung: Wir haben bereits viele sehr engagierte Frauen, die tolle Arbeit leisten. Dass es nicht noch mehr sind, liegt unter anderem daran, dass viele Frauen aus Bedenken, ein Amt neben ihren anderen Verpflichtungen voll ausüben zu können, ablehnen. Zudem schreien Frauen weniger von sich aus „hier”. Aus diesen Gründen müssen wir überlegen, ob wir Aufgaben aufteilen und individueller an die Vorstellungen der Kandidatinnen anpassen können. Daneben müssen wir auch aktiv auf Frauen und Mädchen zugehen, um sie davon zu überzeugen, dass wir ihre speziellen Kenntnisse brauchen.
Warum würde der Handball von mehr engagierten Frauen profitieren?
Verena Jung: Im Allgemeinen profitiert der Handball von jeder Person, unabhängig von Alter und Geschlecht, die sich engagiert - sei es als Trainer, Schiedsrichter oder Organisationstalent. Frauen bringen mitunter andere Erfahrungen und Fähigkeiten mit und es wäre schade, wenn man von diesen nicht profitieren würde.
Was sind die größten Hindernisse bzw. Herausforderungen, die es bei der Gewinnung von engagierten Frauen für den Handball gibt?
Verena Jung: Neben der bereits angesprochenen sind auch strukturelle Probleme zu nennen. Zum Teil fehlen Ansprechpartner, an die man sich bei Interesse an einem Engagement wenden könnte - zum Beispiel nach einem Wohnortwechsel.
Was erhoffen Sie sich von dem Workshop?
Verena Jung: Wir erhoffen uns, dass wir für jede Teilnehmerin Lösungen in ihrem Umfeld finden können, wie sie andere Engagierte unterstützen und begeistern kann. Darüber hinaus freuen wir uns auf Rückmeldung von den Teilnehmerinnen, was aus ihrer Sicht gut funktioniert und wo sie von unserer Seite Unterstützung fordern.
Warum engagieren Sie sich für dieses Thema?
Verena Jung: Wir sind überzeugt, dass ganz viele Frauen und Mädchen tolle Voraussetzungen haben, um im Handballumfeld etwas zu bewegen. Leider werden sie noch zu oft abgehalten, die nächste Stufe zu erklimmen. Dies gilt gerade für Trainerbänke, Schiedsrichter in den Bundesligen oder Führungspositionen in Verbänden. Wir möchten dabei unterstützen, das Potential der Frauen besser auszuschöpfen. Wichtig dabei ist, dass dies kein Kampf der Geschlechter ist - sondern, dass der Handball insgesamt davon profitieren wird, wenn er bunter und durchmischter wird.
Workshop II: Mehr Frauen auf die Trainerbank - Gewinnung & Unterstützung von Trainerinnen
Was ist aus Ihrer Sicht derzeit der Grund dafür, dass sich zu wenig Frauen für einen Einstieg in den Trainerjob entscheiden und inwiefern wären mehr Trainerinnen ein Gewinn für den Handball?
Maike Koberg: Auf diese Fragen möchte ich derzeit noch keine Antwort geben, da dies die Fragen sind, die auch inhaltlich in dem Workshop zum Tragen kommen. Insofern sollten wir hier keine Antworten vorwegnehmen.
Was erhoffen Sie sich von dem Workshop?
Maike Koberg: Wir erhoffen uns anhand der Workshop-Ergebnisse, den Frauen eine gezieltere Unterstützung anbieten zu können, die an einer zukünftigen Trainertätigkeit interessiert sind. Dies könnten verschiedene Bausteine sein, die aus dem Workshop heraus erarbeitet werden.
Warum engagieren Sie sich für dieses Thema?
Maike Koberg: Weil wir feststellen, dass nur einige der früher selbst aktiven Handballerinnen ihre Erfahrungen weitergeben und bereit sind, eine Trainertätigkeit zu übernehmen. Hier ist es interessant, zu erfahren, was genau die Frauen hindert, sich aktiver einzubringen und welche Lösungen hierfür gefunden werden können. Insgesamt möchten wir ja wieder mehr Menschen für den Handball begeistern, und dabei könnte ein Faktor auch sein, dass mehr Frauen für die Trainertätigkeit begeistert werden können.
Workshop III: Mehr Frauen an die Pfeife - Gewinnung und Unterstützung weiblicher Schiedsrichterinnen
Was ist aus Ihrer Sicht derzeit der Grund dafür, dass sich nur so wenige Frauen entscheiden, als Schiedsrichter aktiv zu werden?
Anja Salzwedel: Das ist ein grundsätzliches Problem: Wir haben einfach zu wenige Schiedsrichter - weibliche wie männliche. Viele junge Personen ziehen es vor zu spielen, zudem kommt noch dazu, dass gerade junge Interessierte von den ständigen Meckereien und sehr oft auch Beschimpfungen abgeschreckt werden. Bei Mädels und Frauen stellt sich konkret zudem das Problem, dass Vorbilder fehlen, an denen sie sich orientieren könnten.
Inwiefern wären mehr Schiedsrichterinnen ein Gewinn für den Handball?
Anja Salzwedel: Viele Verbände erleben derzeit eine echte Misere, von daher wäre jede weitere Schiedsrichterin ein Gewinn. Ich bin außerdem überzeugt, dass für die Schiedsrichterei an sich weibliche Inputs eine Bereicherung sind.
Was sind die größten Hindernisse bzw. Herausforderungen, die es bei dem Ziel, mehr Schiedsrichterinnen zu gewinnen, gibt?
Anja Salzwedel: Im Schiedsrichterwesen gibt es häufig verkrustete, autokratische Strukturen, die es erschweren, seine Motivation und seine eigenen Ideen einzubringen. Oft wird noch mit Lippenbekenntnissen und den „Quotenfrauen“ gearbeitet. Hier gilt es durch frischen Wind, gute Ideen und Basisarbeit zu überzeugen. Zum Glück gehen einige Verbände schon mit sehr gutem Beispiel voran...
Was erhoffen Sie sich von dem Workshop?
Anja Salzwedel: Es ist wichtig, dass man sich über das Thema austauscht, denn bisher gibt im weiblichen Schiedsrichterwesen kaum Ansprechpartnerinnen. Auch die Schiedsrichterinnen haben untereinander wenige Kommunikationsmöglichkeiten. Ein Ziel ist daher die Schaffung eines funktionierenden Netzwerkes. Außerdem wollen wir auch herausfinden, wo der Schuh an der Basis drückt und wie wir hier aktiv Hilfestellung geben können.
Warum engagieren Sie sich für dieses Thema?
Anja Salzwedel: Ich habe hier ganz persönliche Gründe, denn das Schiedsrichterdasein hat mich in vielerlei Hinsicht geformt. Diese Persönlichkeitsbildung kann für alle Lebensbereiche nützlich sein und ich möchte vielen Frauen und Mädels die Möglichkeit anbieten, diese Erfahrungen zu machen und für sich mitzunehmen. Die Schiedsrichterei kann ein großer Gewinn sein!
Workshop IV: Mehr Mädchen zum Handball - Wie gewinnen wir mehr Mädchen mit Migrationshintergrund für unsere Sportart?
Was ist aus Ihrer Sicht derzeit der Grund dafür, dass es vielen Vereinen nicht gelingt, Mädchen mit Migrationshintergrund für den Handball zu begeistern?
Doris Birkenbach: Auf diese Frage gibt es keine pauschale Antwort, da das Thema so vielschichtig ist. Grundsätzlich ist sicherlich erst einmal die Haltung des Vereins ausschlaggebend. Sind Handballvereine wirklich offen für Menschen aus anderen Kulturkreisen? Daran anschließend stellt sich die Frage, wie ein solcher Verein auf die Menschen mit einem Migrationshintergrund zugehen soll, um sie zu erreichen. Zudem können wir in diesem Zusammenhang auch nicht pauschal von den „Migrantinnen“ sprechen. Mädchen mit einem islamischen Hintergrund sind sicherlich anders anzusprechen, als Mädchen mit einem osteuropäischen oder afrikanischen Hintergrund.
Warum ist es für den Handball - und speziell für den Mädchenhandball - so wichtig, die Kinder bzw. Mädchen mit Migrationshintergrund einzubinden?
Doris Birkenbach: Natürlich geht es einem Verband auch immer um Mitgliedergewinnung. Unsere Sportart zu stärken, ist immer vorrangiges Ziel aller Bemühungen. Wenn man sich die aktuellen Zahlen von Menschen mit Migrationshintergrund anschaut, ist es auch eine Frage des Überlebens der Sportart Handball, ob und wie Integration gelingt. Leider haben wir uns von Seiten des Verbandes erst sehr spät auf den Weg gemacht. Doch nun ist das Thema „Interkulturalität“ ein Schwerpunktthema der DHB-Jugend.
Was sind die größten Hindernisse bzw. Herausforderungen, die es dabei gibt?
Doris Birkenbach: Die größten Hindernisse sind meiner Meinung nach die Barrieren im Kopf und auch im Herzen. Nur mit Offenheit und Bereitschaft gelingen Wachstum und Veränderung wirklich. Handballer sind meist nicht gerade diejenigen, die bei gesellschaftlichem Wandel vorauseilen oder gar „revolutionäres“ Gedankengut verbreiten. Die Herausforderung wird also sein, das Bewährte zu wertschätzen und auf dieser Basis gleichzeitig den Mut zu entwickeln neue Wege zu gehen und zu integrieren.
Was erhoffen Sie sich von dem Workshop?
Doris Birkenbach: In dem Workshop wollen wir vor allem gelingende Beispiele der Integration zeigen. Insgesamt drei verschiedene Vereine aus Kiel, Berlin und Frankfurt berichten von ihren Erfahrungen sowohl positiver als auch negativer Art. Ich glaube, dass diese Vorbilder den Teilnehmerinnen viele Ideen und Gedanken für ihre eigene Arbeit mit auf den Weg geben können. Wenn das gelingt, bin ich schon sehr zufrieden.
Warum engagieren Sie sich für dieses Thema?
Doris Birkenbach: Eine interkulturelle, demokratische Gesellschaft kann nur dann wirklich funktionieren, wenn allen Gruppen innerhalb dieser Gesellschaft eine gleichberechtigte Teilhabe möglich ist. Zu dieser Gesellschaft möchte die DHB-Jugend auf diesem Wege ihren Teil beitragen.