Spitzenreiter Ferndorf lässt im Topspiel in Hagen nichts anbrennen
Spitzenreiter Ferndorf lässt im Topspiel in Hagen nichts anbrennen
1725 Zuschauer am Freitagabend in der Enervie-Arena, Riesen-Stimmung. Der Spaßfaktor war garantiert. Zu lachen hatte aber nur der TuS Ferndorf etwas. Der Spitzenreiter der 3. Liga West löste die Aufgabe bei diesem Südwestfalen-Knaller, bei dem der Tabellenzweite VfL Eintracht Hagen nicht einmal zischte, souverän, cool und letztlich sogar mühelos. „Ein ganz großes Kompliment an meine Mannschaft, die in der ersten Halbzeit den Grundstein zum Sieg gelegt hat“, sagte TuS-Trainer Erik Wudtke nach dem 30:25 (15:6)-Erfolg, dem nun schon 20. Ferndorfer Sieg in Serie. „Wir haben in der Abwehr sehr, sehr variabel und agil gearbeitet und das umgesetzt, was wir uns vorgenommen und in den vergangenen Wochen erarbeitet hatten.“ Diese Defensiv-Leistung des Tabellenführers in den ersten 30 Minuten lässt sich auch mit einem Wort zusammen: überragend.
Der TuS Ferndorf präsentierte sich so, wie es alle erwartet hatten – mit der seit Wochen bewährten 6:0-Deckung, in der Heider Thomas und Bennet Johnen, die beide zur neuen Saison zum Neusser HV wechseln, einen ausgezeichneten Innenblock bildeten und in der Julian Schneider auf der halben Position regelmäßig auch ein bisschen offensiver wurde. Also wusste der VfL Eintracht Hagen doch, was er zu tun hatte, um in diesem Spitzenspiel zu bestehen und bei bis dahin einem Minuspunkt Rückstand auf Platz eins zu klettern? „Es ist ein bisschen schwierig, das vernünftig in Worte zu verpacken“, sagte Trainer Lars Hepp. „Auch wir hatten uns viel vorgenommen, und ich war nach den Einheiten in dieser Woche auch positiv und optimistisch. Aber wenn man die erste Halbzeit sieht, vorne wie hinten, kann man nicht viel dazu sagen. Ferndorf war uns in allen Belangen überlegen, und ich muss und möchte mich für die erste Halbzeit entschuldigen.“
Stimmt. Und hätte Lars Hepp in diesem ersten Abschnitt nicht einen überragenden Mann zwischen den Pfosten gehabt, nämlich den 45-jährigen Oldie Almantas Savonis, wäre schon zur Pause das Debakel des VfL Eintracht Hagen perfekt gewesen. So aber ging der TuS Ferndorf, der nach einer Viertelstunde erst zwei Treffer kassiert hatte, weil Lucas Puhl fast alles hielt, was dann doch mal durchkam, nur mit einem Neun-Tore-Polster in die Kabine. Nach seiner besten Halbzeit in dieser Saison? „Wir haben in der Rückrunde auch schon gegen Schalksmühle und Neuss gute Halbzeiten gespielt“, sagte Erik Wudtke. „Aber da hieß der Gegner nicht Hagen. Unterm Strich war das unsere beste Halbzeit der Saison. Ich bin unheimlich stolz auf meine Mannschaft, dass sie so eine Abwehrleistung hingelegt hat.“
Während TuS-Coach Erik Wudtke die meiste Zeit der ersten Halbzeit fast schon gemütlich auf seinem Stuhl verbrachte und den Auftritt seines Teams genoss, legte Eintracht-Trainer Lars Hepp an der Seitenlinie reichlich Meter zurück. Und als die 14. Minute begonnen hatte, bewaffnete er sich auch schon wieder mit der Grünen Karte, nachdem er zwei Minuten zuvor eine Auszeit genommen hatte. Lars Hepp reagierte dann auch und ließ Jörn Ilper, der ebenso wie Frank Berblinger in den Kader gerückt war und das Durchschnittsalter sowie die Routine hochgeschraubt hatte, für Matthias Aschenbroich decken. Und der Beobachter fragte sich: Warum durfte der Hagener Linkshänder weiterhin im rechten Rückraum spielen? Wohl deshalb, weil das Fehler-Ranking einen einsamen Spitzenreiter brauchte. Diesen ersten Platz machte Matthias Aschenbroich am Freitagabend nämlich niemand streitig. „Ich habe“, sagte Trainer Lars Hepp, „keinen anderen.“
Den erschreckenden Auftritt des VfL Eintracht in der ersten Halbzeit aber nur an der Leistung Matthias Aschenbroichs festzumachen, wäre zu einfach. Enttäuschend war auch der Auftritt der Nummer eins der Torjäger-Liste der 3. Liga West: Jens Reinarz beendete den ersten Abschnitt ohne einen einzigen Treffer, aber unter anderem mit zwei Würfen, nach denen TuS-Keeper Lucas Puhl den Ball gefangen hatte. „Wir haben es in der ersten Halbzeit nicht ansatzweise geschafft“, erklärte Trainer Lars Hepp, „Zwingendes aufs Tor zu bringen.“ Zumal sich die gern zitierten Köttel in der Hose auch noch schrecklich vermehrt hatten.
Noch einmal: Mit 15:6 lag der Spitzenreiter zur Pause vorne. Weil er beeindruckend und clever aufgetreten war. Zu diesem Zeitpunkt war Erik Wudtke aber auch schon bewusst, dass es in dieser Qualität bei seiner Mannschaft nicht weitergehen würde. „Uns war klar, dass Hagen zurückkommen würde“, sagte der Trainer des TuS Ferndorf. „Aber wir haben in der zweiten Halbzeit dann davon profitiert, dass unser Vorsprung schon sehr groß war. Dann ist es auch schwierig, eine Aufholjagd zu starten. Wir haben das dann über die Zeit gebracht.“ Immerhin: Nachdem sich der TuS dank eines Siebenmeter- und eines Rückraum-Tores von Alex Koke zweimal auf elf Treffer abgesetzt hatte (19:8 und 20:9), kamen die Hagener noch einmal heran. Ein bisschen. Dank eines 5:0-Laufes mit Treffern von Jens Reinarz (3), Julian Renninger und Marius Kraus verkürzten die Gastgeber, die in der zweiten Hälfte nicht mehr 6:0, sondern 5:1 deckten, von 11:21 auf 16:21.
Gar auf vier Tore reduzierte der VfL Eintracht den Rückstand, nachdem Matthias Aschenbroich zum 20:25 und Jens Reinarz zum 21:25 getroffen hatte. „Und dann haben wir wieder den Ball“, sagte Trainer Lars Happ. „Wer weiß?“ Länger wollte der 37-Jährige darüber jedoch gar nicht nachdenken und erkannte die Realität an. „Letztendlich sind wir für einen Sieg nicht in Frage gekommen.“ Er sprach sogar davon, dass das „für uns ein Tiefschlag ist“. Dann blickte er jedoch auch schon wieder voraus, schließlich bietet die Relegation der Tabellenzweiten in dieser Saison sehr wahrscheinlich auch noch gute Möglichkeiten, in die 2. Bundesliga aufzusteigen. „Unsere Entwicklung wird weitergehen“, erklärte Lars Hepp. „Und da gehört so ein Abend dazu.“ Bei nun drei Minuspunkten mehr als der TuS aus dem Nordsiegerland sieht der Hagener Coach seine Mannschaft nicht mehr im Rennen um Platz eins. „Die Hoffnung, dass Ferndorf noch mal ausrutscht“, sagte der Eintracht-Trainer, „können wir getrost begraben.“
VfL Eintracht Hagen: Savonis, Conzen (bei zwei 7m) – Ilper, Berblinger (n. e.), Pütz (1/1), S. Schneider (2), Krause, Rink (n. e.), Renninger (5), Aschenbroich (4), Reinarz (6/1), Kraus (2), van Walsem, Ciupinski (5).
TuS Ferndorf: Puhl (1.-58.), Rottschäfer (58.-60.) – Keusgen (n. e.), John (2), D. Breuer, Koke (10/6), S. Breuer (2), Thomas (2), Johnen (6), Bettig (n. e.), Barkow, J. Schneider (4), Mestrum (4), Ronge (n. e.).