Geburtsstunde des internationalen Handballs
Vor 100 Jahren in Halle an der Saale: Erstes Länderspiel im Feldhandball gegen Österreich
Seit mehr als einem Jahrhundert wird in Deutschland Handball gespielt – das erste Länderspiel einer deutschen Männer-Mannschaft fand vor genau 100 Jahren in Halle an der Saale statt: Am Sonntag, dem 13. September 1925, traf im heute noch existierenden Stadion vom Verein für Leibesübungen (VfL) Halle 1896 (an der Saale) die Auswahl der Deutschen Sportbehörde (DSB) freundschaftlich auf eine Auswahl des Österreichischen Handballverbandes. Das Spiel endete aus deutscher Sicht mit einer Pleite: 3:6 (1:3) stand es am Ende für die Gäste aus Österreich – aber:
Dieses Länderspiel war zugleich die Premiere für den internationalen Handballsport, denn noch nie zuvor hatten sich zwei „ausländische“ Mannschaften im Handball zu einem nationalen Vergleich getroffen – sieht man einmal davon ab, dass bei der 1. Internationalen Arbeitersport-Olympiade im Juli 1925 in Frankfurt mit Deutschland, Belgien und der Schweiz auch Länderauswahlen gegeneinander gespielt hatten. Dennoch wird in der Handball-Geschichtsschreibung das Länderspiel gegen Österreich in Halle an der Saale als die „Geburtsstunde“ des internationalen Handballs bezeichnet.
Das damals wie heute vornehmlich vom Fußball genutzte Stadion am Zoo war bei dieser internationalen Handball-Premiere gut besucht … allerdings schwanken die überlieferten Zahlen von 3.000 bis 6.000 – aber egal: Diejenigen, die gekommen waren, sahen eine deutsche Mannschaft, die offensichtlich ihren Gegner arg unterschätzt hatte. Oder lag es daran, dass Handball-Pionier Carl Schelenz (1890-1956) an der Seitenlinie zwar als „Cheftrainer“ fungierte, sich aber selbst nicht einwechselte? Schelenz hatte wenige Jahre zuvor als Gast-Dozent das Handballspiel in Österreich überhaupt erst populär gemacht. Beim Rückspiel zwei Jahre später in Wien gab es übrigens eine Revanche mit einem 8:4 (3:1) Sieg der deutschen Mannschaft.
Die Auswahl des DSB spielte 1925 in Halle mit: Riedrich (SpVgg 1899 Leipzig) im Tor; Hans Klatt (Sport-Club Charlottenburg bzw. SCC Berlin), Karl Adebar, Karl Axmann, Hermann Bergemann, Fritz Burkowsky, Fritz Wolff (alle Polizei SV Berlin), Erich Knobbe (Polizei SV Halle), Albert Damerius (SpVg. Polizei Hamburg), Kurt Böhme, Albert Männel (SV 1904 Freital); Ersatzspieler waren: Reinhardt, Voigtländer (SpVgg 1899 Leipzig) und Mareczinski (Polizei SV Halle). Die drei deutschen Tore warfen der Reihe nach Männel (1:0), Burkowsky (2:4) und Böhme (3:4).
Das Feldhandballspiel avancierte bald zu einer deutschen Domäne: Insgesamt 117 Siege, drei Remis und fünf Niederlagen (2347:1155 Tore, Durchschnittsergebnis 19:9) gegen 19 Nationen (von Belgien über Portugal bis zu den USA) standen zu Buche, als die internationale Ära des Feldhandballs mit dem Gewinn der VII. und letzten Weltmeisterschaft 1966 in Österreich für die DHB-Auswahl (unter anderem mit Erwin Porzner, Josef Karrer und Herbert Lübking) und der DDR-Auswahl punktgleich als Vize-Weltmeister (u.a. mit Klaus Prüsse, Klaus Langhoff, Reiner Ganschow) zu Ende ging.
Am Ende war der Deutsche Handballbund (DHB) zusammen mit seinen Vorgängerorganisationen der erfolgreichste Feldhandball-Verband der Welt: Olympiasieg 1936 in Berlin, fünfmal Weltmeister (1938, 1952, 1955, 1959 und 1966), die Schweden (1948) und der Deutsche Handballverband der DDR (1963) gewannen je einmal den Titel.
Das 125. und dann allerletzte Länderspiel einer DHB-Auswahl ist mit einem 22:12 (12:4) Sieg gegen die Niederlande am 14. Juni 1970 in Rotterdam datiert. Das letzte nationale Endspiel um die deutsche Feldhandballmeisterschaft fand vor genau 50 Jahren am 10. August 1975 im ostwestfälischen Lübbecke statt, wo die TSG Haßloch den favorisierten TuS Nettelstedt (heute TuS N-Lübbecke mit 15:14 (7:8) besiegte. In der DDR ging die Feldhandball-Ära mit dem SC Magdeburg als „ewiger“ Meister schon 1967 zu Ende.
Die Feldhandball-Bilanz bei den Frauen sieht aus deutscher Sicht so aus: Das erste Länderspiel ging ebenfalls gegen Österreich verloren: am 7. September 1930 mit 4:5 (4:1) in Prag. Bei der ersten WM 1949 in Ungarn war noch kein deutsches Team dabei. Bei den Titelkämpfen im Juli 1956 verlor das DHB-Team in Frankfurt vor 18.000 Zuschauern im Finale gegen Rumänien 6:5 (3:1), bei der dritten und letzten WM 1960 in den Niederlanden besiegte das DHB-Team im Spiel um Platz drei die Gastgeberinnen in Amsterdam mit 3:1.
Insgesamt 26 Länderspiele haben die DHB-Frauen zwischen 1930 und 1966 ausgetragen (19 Siege, sechs Niederlagen, ein Remis mit 170:91 Toren, Durchschnittsergebnis 6:3). Das letzte Länderspiel einer DHB-Auswahl fand am 18. Juni 1966 ebenfalls in Rotterdam gegen die Niederlande statt und wurde 5:4 (2:1) gewonnen (damals unter anderem mit Rekord-Nationalspielerin Gerda Reitwießner-Ahles vom 1. FC Nürnberg). Deutsche Meisterschaften auf Großfeld gab es bei den Frauen im DHB bis 1968 mit dem 1. FC Nürnberg als letzter Deutscher Meister; in der DDR war das 1967 der SC Leipzig. An den Weltmeisterschaften im Feldhandball hat nie ein Frauen-Team aus der DDR teilgenommen.
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann