Wolfgang Böhme (rechts) mit DHB-Präsident Andreas Michelmann. - Foto: Kenny Beele
Wolfgang Böhme (rechts) mit DHB-Präsident Andreas Michelmann. - Foto: Kenny Beele

Eine besondere Wertschätzung für einen besonderen Handballer

16.11.2025 | Verband

 

Wolfgang Böhme trägt sich beim DHB-Bundestag als achte deutsche Handball-Persönlichkeit in das Goldene Buch des DHB ein

Mit Wolfgang Böhme, dem 192-maligen DDR-Nationalspieler, hat sich gleich zu Beginn des DHB-Bundestages in Dresden am Sonntag einer der in den 1970er Jahren besten Handballer der Welt in das Goldene Buch des Deutschen Handballbundes (DHB) eingetragen. Böhmes Ehrung ist Wertschätzung und Signal zugleich.

Unter dem tosenden Applaus der Delegierten im Dresdener Kongresszentrum würdigte DHB-Präsident Andreas Michelmann die Verdienste des früheren DDR-Nationalspielers: „Wolfgang Böhme war in seiner Zeit ein absoluter Weltklassehandballer, der aber auf politisch-dramatische Weise um den größtmöglichen Ruhm, den Olympiasieg 1980, gebracht wurde. Wenn auch erst 45 Jahre später erfährt Wolfgang Böhme durch diese besondere Ehrung und Wertschätzung durch den Deutsche Handballbund seine 100-prozentige Rehabilitierung. Wir werden damit die Wunde von damals zwar nicht schließen können, aber wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, dass er mit dieser Zeit abschließen kann – als Mensch und als Handballer. Wir verneigen uns vor einer großen Persönlichkeit unseres Sports.“

Der Linkshänder Wolfgang Böhme, geboren am 17. Dezember 1949 in Wolfen (Bitterfeld in Sachsen-Anhalt) und aufgewachsen im Ostseebad Heringsdorf auf der Insel Usedom, spielte sowohl auf Rechtsaußen als auch im rechten Rückraum. Vor allem seine Aktionsschnelligkeit, sein Spielwitz und seine unberechenbare Torgefährlichkeit macht ihn so wichtig für seinen Klub Empor Rostock und die DDR-Nationalmannschaft, für die er insgesamt 538 Tore warf. Sein Debüt im DDR-Nationaltrikot feierte Böhme 1970, bei den Olympischen Spielen 1972 in München gehörte er zum Aufgebot des DHV, das im Endklassement Platz vier belegte. Bei der Weltmeisterschaft 1974 unterlag sein Team im Finale in Ost-Berlin Rumänien knapp mit 12:14. Bei der Weltmeisterschaft vier Jahre später in Dänemark, als die DHB-Auswahl erstmals Gold gewann, gab es unter Mannschafts-Kapitän Böhme Rang drei für die DDR nach dem Gewinn des kleinen Finales mit 19:15 gegen Gastgeber Dänemark.

Der Ostseepokal im Januar 1980 sollte für Wolfgang Böhme die letzte große internationale Handball-Bühne werden, denn: Drei Monate vor den Olympischen Spielen in Moskau wurde Wolfgang Böhme aus politischen Gründen „ausdelegiert“, wie es im DDR-Jargon damals hieß. Die verschleierte und für Böhme erschütternde Zeitungsmeldung lautete wörtlich so: „Sportfreund W. Böhme (SC Empor Rostock) wurde wegen grober Disziplinarvergehen vom Leistungsauftrag entbunden.“

Böhmes Karriere war beendet, er wurde in der DDR zur Unperson erklärt, sein Name wurde gelöscht. In Protokollen des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR war später unter anderem von unerlaubten Westkontakten Böhmes zu lesen. Man befürchtete, Böhme würde sich in den Westen absetzen. Die Stasi-Akte über Wolfgang Böhme umfasst 500 Seiten; das Buch des Handballhistorikers Erik Eggers mit dem Titel „Böhme. Eine deutsch-deutsche Handballgeschichte“ dagegen nur 256.

Wolfgang Böhme. - Foto: Kenny Beele
Wolfgang Böhme. - Foto: Kenny Beele
Wolfgang Böhme. - Foto: Kenny Beele
Wolfgang Böhme. - Foto: Kenny Beele
Wolfgang Böhme. - Foto: Kenny Beele
Wolfgang Böhme. - Foto: Kenny Beele

Im Juli 1989 wurde Böhmes Ausreiseantrag aus der DDR stattgegeben. Böhme verließ über den „Tränenpalast“ am Berliner Bahnhof Friedrichstraße die DDR im Zug nach Westen und landete handballerisch in Ostwestfalen beim damaligen Bundesligisten GWD Minden.

Sein ehemaliger Verein SC Empor Rostock hat Wolfgang Böhme inzwischen rehabilitiert und zum Ehrenmitglied ernannt. Im DHB gehört Wolfgang Böhme mit seinen knapp 200 Einsätzen für die DDR zum Gründungsmitglied des „Club 100“.

„Mit der Eintragung in das Goldene Buch des DHB wird nicht nur die außergewöhnliche handballerische Karriere von Wolfgang Böhme gewürdigt. Der DHB möchte mit dieser besonderen Ehrung ein sichtbares Zeichen setzen gegen die politische Inanspruchnahme des Sports durch das politische Regime der DDR”, sagte Michelmann in seiner Würdigung. „Wolfgang Böhme war damals kein Einzelfall. Deswegen steht sein Name im Goldenen Buch des DHB stellvertretend für zahlreiche andere (bekannte und unbekannte) Sportlerinnen und Sportler, deren sportliche Karriere damals politisch beeinträchtigt wurde. Auch an sie möchte der DHB damit erinnern.”

Das Goldene Buch des Deutschen Handballbundes wurde als sichtbares Zeichen der Dankbarkeit und Wertschätzung für Persönlichkeiten geschaffen, die sich in außergewöhnlicher Weise um den deutschen Handball verdient gemacht haben. Eingetragen werden kann nur, wer ohne Amt in den Verbänden Spuren im Handballsport hinterlassen hat, aber nicht über die Ehrungsordnung berücksichtigt werden kann. Über die Eintragungen entscheidet das Präsidium des Deutschen Handballbundes.

Bernhard Kempa war am 6. November 2011 der Erste, der sich ins Goldene Buch eintragen durfte. Es folgten Grit Jurack, Klaus Langhoff, Günter D. Klein, Frank Steffel, Wolfgang Sommerfeld und zuletzt Prof. Dr. Klaus Roth. Wolfgang Böhme ist die nunmehr achte Persönlichkeit in dieser Reihe.