Die Nationalmannschaft begeisterte bei der WM und war der perfekte Botschafter der Bewegung "Hands up for more"
Die Nationalmannschaft begeisterte bei der WM und war der perfekte Botschafter der Bewegung "Hands up for more". - Foto: Kenny Beele

Was kommt nach dem WM-Hype? So geht es mit "Hands up for more" weiter

17.12.2025 | Verband

 

Ob ein Trend, eine Stimmung oder ein Hype auch außerhalb einer Blase ankommt, merkt man häufig erst so richtig abseits der Epizentren. Wer die WM 2025 in den Hallen in Stuttgart, Trier, Dortmund oder dann auch die Finalrunde in Rotterdam erlebte, der spürte diese unglaubliche Energie für den Frauen-Handball. Man kam nicht umhin zu denken: Da wurden fünf Entwicklungsstufen auf einmal genommen. Die Bewegung "Hands up for more" muss wie ein Tsunami durch (Sport-)Deutschland geschwappt sein. Auf der anderen Seite: Auch wenn diese großen Zuschauerzahlen erst einmal aktiviert werden müssen, treffen sich zu den WM-Spielen zu großen Teilen Handball-Fans, denen man nicht erklären muss, warum Nieke Kühne eine so tolle Handballerin ist. 

Hat "Hands up for more", die aus einer Kampagne gewordene Bewegung für mehr Sichtbarkeit, Aufmerksamkeit und Gleichberechtigung für den Frauen-Sport, also wirklich die breite Masse erreicht? Der wahrscheinlich viel bessere Indikator als die Stimmung in den WM-Hallen sind die Amateursport-Hallen des Landes. Und siehe da: Hier dröhnte vor Bezirksliga-Spielen der Song "Hands up for more" von Lucille und Bria X aus den Boxen, hier planten Vereine Heimspieltage um Public-Viewing-Aktionen herum, hier sah man Zuschauer auf den Tribünen von Mehrzweckhallen im magentafarbenen "Hands-up-for-more"-Sondertrikot. Junge Handballerinnen wollen nun Tore werfen wie Viola Leuchter, Bälle halten wie Katharina Filter und verteidigen wie Aimée von Pereira. 

Eine erste empirische Stichproben-Analyse zeigt also: "Hands up for more" hat nicht nur funktioniert, das hat sehr, sehr gut funktioniert. "Mit der Bewegung wollen wir eine nachhaltige Entwicklung für den Frauen-Handball in Deutschland erreichen", sagt Saskia Lang, Senior Managerin Marketing internationale Events & Frauenhandball beim DHB. "Die Weltmeisterschaft mit den zahlreichen Aktivitäten vor und während des Turniers war der große Auftakt und Aufhänger." 

"Hands up for more": Sehr viele Aktivitäten des DHB vor und während der WM

Und Aktivitäten gab es einige. Die auffälligsten waren sicherlich das magentafarbene Sondertrikot, das in kürzester Zeit ausverkauft war, und der Song, den man auf Social Media in tausenden Reels, Beiträgen und Storys hören konnte. Und abgesehen davon? Großes Kunstwerk mitten in der Stuttgarter Innenstadt mit dem Claim "Handball ist jetzt Frauensache", "Hands-up-for-more"-Cup für E- und F-Jugend-Teams in Dortmund, Busse im "Hands-up-for-more"-Design fuhren vor und während der WM durch Dortmund, die Video-Kampagne "Voices for more", bei der Nationalspielerinnen über Herausforderungen von Frauen im Profisport, Ungleichheiten und vermeintliche Tabuthemen wie die Periode und Familienplanung sprachen.

Während des Turniers gab es Schiedsrichterinnen-Weiterbildungen an allen deutschen Standorten. Als sich der Club100 während der Hauptrunde traf, kamen vor allem zahlreiche weibliche Ex-Nationalspieler. Im Fan-Village gab es einen eigenen "Hands-up-for-more"-Tag, bei dem auf der Bühne um das Thema Female Empowerment ging. Rund um das Turnier war zu diesem Thema richtig Alarm. 

Aber wenn die Bewegung nachhaltig sein soll, darf sie jetzt nicht abreißen. Das ist die vielleicht schwierigste Aufgabe. "Es muss jetzt sofort weitergehen", sagt Nationalmannschaftsmanagerin Anja Althaus. "Die Arbeit geht jetzt erst richtig los", sagt Saskia Lang. 

Denn die Ziele werden nicht kleiner. Die Bewegung soll in alle Bereiche des Handballs getragen werden. Oder anders ausgedrückt: Der DHB hat "Five Reasons to Believe" ausgemacht: Aufmerksamkeit, Respekt, Sicherheit, Substanz und Engagement. Für alle fünf Bereiche gilt: Einige Ziele wurden bereits erreicht, doch es gibt noch ebenso große Pläne wie Aufgaben.

DHB setzt sich Five Reasons to Believe für den Frauen-Handball

Reason Nummer 1 – Aufmerksamkeit – stand während der WM besonders im Fokus. Der sportliche Erfolg des DHB-Teams war überwältigend, die Spielerinnen verkörperten die Werte von “Hands up for more” perfekt. "Je länger das Turnier ging, je erfolgreicher wir wurden, desto mehr wurde ,Hands up for more’ Thema in der breiten Öffentlichkeit", sagt Saskia Lang. "Es freut uns extrem, dass in diesen drei Wochen die sportliche Leistung der Mannschaft gefeiert und über Strukturen des Frauen-Handballs diskutiert wurde", erklärt der DHB-Vorstandsvorsitzende Mark Schober. 

5,79 Millionen TV-Zuschauer bei der ARD-Übertragung des WM-Endspiels gegen Norwegen mit einem Marktanteil von 31,3 Prozent zeigen: Das Ziel, durch die WM Aufmerksamkeit für den Frauen-Handball zu generieren, wurde erreicht. "Es ist uns gelungen, unter dem Motto ,Hands up for more' gesellschaftliche Themen zu transportieren", sagt DHB-Präsident Andreas Michelmann. "In erster Linie war dies das Thema Sichtbarkeit in den verschiedenen Medien und insbesondere die TV-Diskussion. Ich habe das Gefühl, dass wir da inzwischen auch dank der hervorragenden Leistungen unserer Frauen auf einem guten Weg sind."

Bei der WM 2025 wurden die deutschen Spiele ab dem Viertelfinale im Free-TV übertragen, das wird künftig noch besser: Die Übertragungsrechte der kommenden Frauen-Weltmeisterschaften liegen bei ProSiebenSat.1 und die der Europameisterschaften bei ARD/ZDF. Die Frauen-EM 2026 läuft zudem beim Streamingdienstleister Dyn. Das verspricht mehr Reichweite. Dabei helfen auch die kommenden beiden Leuchtturm-Veranstaltungen: Der DHB richtet die Frauen-EM 2032 und höchstwahrscheinlich die U20-Juniorinnen-WM 2028 gemeinsam mit Frankreich aus. 

Zwei weitere Kategorien, in denen der DHB den Frauen-Handball verbessern will, sind Respekt und Engagement. Diese beiden Zielbereiche zeigen, "Hands up for more" meint nicht nur die große Bühne, sondern auch Strukturen im Hintergrund. Das Ziel: Maßnahmen der Gleichstellungskommission umsetzen, wie beispielsweise Netzwerktreffen. Was wurde erreicht, was soll noch kommen? Während der WM gab es im Deutschen Fußballmuseum ein Networking-Event für Frauen aus der Sport-Branche, vor dem Turnier organisierte der DHB-Premiumpartner Lidl eine prominent besetzte Diskussionsrunde zu Themen wie Gleichstellung.

"Hands up for more" auch in den Gremien: DHB-Präsidium wurde weiblicher

"Wir werden solche Veranstaltungen weiter organisieren und vorantreiben", erklärt Saskia Lang. "Für strukturelle Verbesserungen hilft es extrem, wenn sich Frauen aus der Sportbranche vernetzen." Netzwerke sind das eine, einen Schritt weiter geht das Ziel, dass Frauen gleichberechtigt in verantwortlichen Verbandspositionen vertreten sind.

Kurz vor der WM machte der DHB hierbei einen entscheidenden Schritt. Auf dem Bundestag in Dresden wurden Josefine Gorka und Jennifer Kettemann neu in das DHB-Präsidium gewählt, mit Dr. Verena Svensson und Heidrun Gassan sind nun vier der elf Präsidiumsmitglieder weiblich. Dazu kommt: Zwei von vier DHB-Jugendsprecher sind junge Frauen, bei der WM waren 56 Prozent der 430 Volunteers weiblich. "Wir wollen diesen Weg weitergehen", erklärt DHB-Präsident Michelmann. "Ab dem nächsten Bundestag 2029 wird das Präsidium von elf auf sieben Personen reduziert. Unser Ziel ist, dass der Frauenanteil in diesem Gremium dann weiter steigt." 

Apropos Bundestag. Dort wurde im November in Dresden auch der Safe Sport Code verabschiedet, was auf Nummer 3 der "Five Reasons to believe" einzahlt: Sicherheit. Frauen sollen sich im Handball jederzeit sicher und angstfrei fühlen. Durch den Beschluss der Safe Sport Code Ordnung hat der DHB eine rechtssichere Untersuchungs- und Sanktionsgrundlage geschaffen. Für den Bereich des DHB wurde dieses Instrument gegen interpersonale Gewalt eingeführt. Die nächsten Schritte sind schon geplant: "Wir begleiten unsere Landesverbände bei der Umsetzung weiterer Präventionsmaßnahmen bis hin zu einem Code", erklärt der Vorstandsvorsitzende Schober. "Im dritten Schritt sollen dann Maßnahmen auf Vereinsebene erfolgen." 

Für bessere Förderung des Frauen-Handballs: DHB strebt Bundesstützpunkte an 

Zurück zum Leistungssport und damit zum fünften Punkt der "Five Reasons to believe": Substanz. Denn auch wenn der aktuellen Frauen-Nationalmannschaft eine glorreiche Zukunft in Aussicht gestellt wird, für langfristigen sportlichen Erfolg braucht es eine Verbesserung der strukturellen Rahmenbedingungen. Vor der WM hat der DHB hierfür bei den Themen Tagegelder (gleiche Summe wie bei Männern) und den Erfolgsprämien (stark erhöht auf 300.000 Euro für die Silbermedaille) erste Maßnahmen umgesetzt.

"Gute Leistungen müssen entsprechend vergütet werden", erklärt DHB-Präsident Michelmann. "Wir müssen den Frauen die gleichen Bedingungen für den Sport geben. Das ist ein Baustein für die Leistungssteigerung. Auf DHB-Ebene haben wir das inzwischen zu nahezu 100 Prozent erfüllt." Aber bei diesen Maßnahmen soll es nicht bleiben. Ganz zentral ist das Einrichten von Bundesstützpunkten in Stuttgart und Leipzig ab 2027. Davon verspricht sich der DHB die Ausbildung neuer Spitzen-Talente für das Frauen-Nationalteam – und ist im intensiven Austausch mit der Politik und anderen Mannschaftssport-Verbänden.  

Die Heim-WM 2025 hat dem Frauen-Handball dank einer Kombination aus sportlichem Erfolg und den umfangreichen Aktivitäten der Bewegung “Hands up for more” Schwung gegeben. Damit sich dieser Schwung nachhaltig in besseren Strukturen, nachhaltiger Aufmerksamkeit und Relevanz niederschlägt, soll die Bewegung weitergehen – die nächsten Maßnahmen sind geplant, wichtige Entscheidungen dafür wurden getroffen.

Die Auswirkungen sollen sich bei den Highlight-Turnieren der Nationalmannschaft sowie im Liga-Alltag und an der Basis zeigen. Für mehr Sichtbarkeit, mehr Sicherheit, mehr Respekt, mehr Gleichberechtigung, mehr Mädchen im Handballsport, mehr Frauen in Führungsgremien. Die WM 2025 kann der Beginn einer neuen Ära sein, die von "Hands up for more" dauerhaft begleitet wird. Der Soundtrack dazu darf ruhig länger durch die Sporthallen dieses Landes schallen.